Die US-Wirtschaft kämpft mit der Spionageangst, vor allem in Deutschland. Der EuGH hat den Datentransfer in die USA für rechtswidrig erklärt, nun wird an einer Neuregelung gearbeitet. Bislang gibt es nur löchrige Versprechungen.
Quelle (04.02.2016): http://www.n-tv.de/politik/Privacy-Shield-kann-nicht-schuetzen-article16927961.html
Die USA und die EU haben sich vordergründig auf eine neue Datenübertragungsregelung mit dem Namen „Privacy Shield“ geeinigt. Doch das neue Datenschutzschild, das da hinter den Kulissen derzeit noch zusammengezimmert wird, ist von Beginn an ziemlich verbeult – Kritiker sagen, löchrig. Es soll die „Safe Harbor“-Regelung ersetzen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im vergangenen Oktober als nicht vereinbar mit den Grundrechten erklärt hatte. Die Richter sahen die Informationen in den Vereinigten Staaten nicht ausreichend vor dem Zugriff von Geheimdiensten geschützt.
Woraus das neue Datenschutzschild genau entstehen soll, ist allerdings unklar. Die Rede ist von einem Ombudsmann im Außenministerium, ein bisschen selbstverpflichtender Aufsicht und Versprechungen des US-Geheimdienstdirektors James Clapper, dass Datenübertragungen von den Nachrichtendiensten nicht mehr ohne Einschränkung massenhaft überwacht würden.
Die Datenschützer der EU-Staaten und der EU selbst sowie ein Vertreter der Kommission bilden in Brüssel die sogenannte „Artikel 19 Datenschutzgruppe“. Das Gremium berät und überprüft die Kommission. Die Datenschützer wollen die Vereinbarung mit den USA nun prüfen und verlangen bis Ende Februar die Herausgabe der relevanten Dokumente. „Wir wissen nicht genau, was sie (die Regelung) abdeckt und wie rechtsverbindlich sie ist“, sagte die Leiterin der Gruppe, Isabelle Falque-Pierrotin. Andere blieben nicht so sachlich. Jan Philipp Albrecht, Europaabgeordneter der Grünen, nennt die Einigung einen „Witz“. Whistleblower Edward Snowden twitterte: „Es ist kein Datenschutzschild, es ist ein Haftungsschutz.“ Und netzpolitik.org spottete: „Logo ist vor Einigung fertig!“
Die Datenschutzgruppe hatte nach dem EuGH-Urteil eine Frist bis Ende Januar gesetzt und zugleich damit gedroht, Datenübertragung in die USA zu unterbinden, sollte es keine Neuregelung geben. Mit der vagen Ankündigung von „Privacy Shield“ gewinnen beide Seiten nun Zeit, in der die persönlichen Daten aus der EU weiter in die USA fließen. Dort war die Aufkündigung der Safe-Harbor-Regelung durch den EuGH mehr als ein Weckruf, sagte US-Verbraucherschutzkommissarin Julie Brill im vergangenen Dezember: „Es hatte große Wirkung im Silicon Valley. Ich würde es mit dem Großen Beben in San Francisco vergleichen, und das hatte 7,8 auf der Richterskala.“ Doch neben den Konzernen hängen auch etwa 4500 kleine und mittelständische US-Unternehmen davon ab, dass es zu einer Einigung kommt.
Bei einer aktuellen repräsentativen Studie des Vodafone-Instituts gaben nur ein Viertel der Menschen in Westeuropa an, ihrer Ansicht nach respektierten Unternehmen den Schutz ihrer persönlichen Daten. In Bezug auf soziale Netzwerke waren es sogar nur 11 Prozent. Im Ländervergleich sind die Deutschen besonders kritisch, was die Weitergabe ihrer Daten angeht. Zudem haben sie Angst davor, dass jemand mitliest, der nicht mitlesen soll. 56 Prozent der Befragten in Deutschland vermeiden es deshalb, persönliche Dinge in E-Mails oder Textnachrichten zu verschicken.
Die EU-Datenschützer haben bereits angekündigt, dass sie der Neuregelung nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen und heben mahnend den Finger. Vier grundlegende Garantien wollen sie bei „Privacy Shield“ gewährleistet sehen:
- Es soll klare Regeln geben und für jeden Nutzer erkennbar sein, wohin seine Daten in die USA übertragen werden und was dort mit ihnen geschieht.
- Es muss ein Gleichgewicht zwischen dem Ziel des Datensammelns (meist nationale Sicherheit) und individuellen Rechten gefunden werden.
- Es muss einen unabhängigen Aufsichtsmechanismus geben.
- Individuen müssen die Möglichkeiten erhalten, sich gegen das Ausspionieren ihrer Angaben zu wehren.
Damit „Privacy Shield“ diese Forderungen erfüllen kann, müssten in den USA noch Gesetze verabschiedet werden, die dort etwa EU-Bürgern eingeschränktes Klagerecht einräumen.
„Privacy Shield“ und die Reaktionen darauf offenbaren einmal mehr die unterschiedlichen Interessenslagen: Während die US-Amerikaner die Verarbeitung der Nutzerdaten von EU-Bürgern als wirtschaftlichen Faktor sehen – Google, Facebook und Co stellen Dienste zur Verfügung, die Nutzer bezahlen mit ihren Angaben – kritisieren die Europäer die Überwachung durch die US-Geheimdienste. Dies war der Kern von „Safe Harbor“, und auch Anlass der Entscheidung des EuGH, es für ungültig zu erklären. Denn nach Edward Snowdens Enthüllungen war klar: Die Daten sind in den USA nach EU-Standards eben nicht gut aufgehoben.
Wie viel ist die Zusicherung des US-Geheimdienstdirektors wert, „unterschiedslose Massenüberwachung“ werde es nicht geben? „Unterschiedslos“ könnte andersherum heißen, dass jede kleinste Einschränkung, etwa ein Filter in einer Analysesoftware der Geheimdienste, Überwachung weiter erlaubt. Außerdem herrscht in den USA die Meinung vor, das Sammeln von Daten allein sei keine Überwachung, sondern nur deren Auswertung. Solange es darüber keine Einigkeit gibt, kann es auch keinen Schutz geben.