Die Wochenzeitschrift ZEIT hat am 15.08.2019 einen Artikel unter der Überschrift „Diskriminierung am Arbeitsplatz: Was Frauen im Job erleben“ veröffentlicht: https://www.zeit.de/2019/34/diskriminierung-arbeitsplatz-frauen-job-sexismus-gleichberechtigung.
Bei einer nicht repräsentativen Befragung der ZEIT von 1346 Leserinnen, bei der Mehrfachnennungen möglich waren, berichteten:
- 40% über ungleichen Lohn für gleichwertige Tätigkeit
- 37% über Diskriminierung wegen Schwangerschaft oder Elternzeit
- 31% über sexuelle Belästigung
- 25% darüber, bei Beförderungen übergangen worden zu sein
- 21% über andere Benachteiligungen (z. B. Aushilfstätigkeiten)
- 19% über Diskriminierung im Bewerbungsverfahren
Der ZEIT-Artikel enthält 4 Beschreibungen konkreter Fälle aus der Praxis (Projektleiterin, Managerin, Bezirksleiterin, Beraterin) sowie 54 beschämende Zitate und Beispiele für diskriminierende Erlebnisse von Frauen im Arbeitsleben.
Auszug:
Ich muss gestehen, dass mich Umfang und Massivität der meisten Beispiele überrascht haben, weil ich mit Ausnahme von diversen „Altherrenwitzen“ (in Abwesenheit von Damen) solch extreme Formen von Diskriminierung oder sexueller Belästigung in meinem mittlerweile rund 30-jährigen Berufsleben nicht unmittelbar beobachten konnte.
Unterdessen stelle ich mir unter anderem als Vater von zwei Töchtern natürlich die Frage, wie betroffene Frauen auf solche Formen der Diskriminierung oder sexuellen Belästigung reagieren können – und um diese Frage soll es in dem vorliegenden Blog gehen.
Diskriminierung und sexuelle Belästigung sind in Deutschland selbstverständlich verboten und es gibt verschiedene gesetzliche Grundlagen und Möglichkeiten, um sich mit rechtlichen Mitteln dagegen zu wehren. Einige konkrete Hinweise dazu finden Sie am Ende dieses Blogs. Nun ist eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen selten eine erfreuliche Angelegenheit und sollte schon allein deshalb meines Erachtens die ultima ratio bleiben.
Ich werde mich im Folgenden auf die Handlungsoptionen aus Sicht der Betroffenen nach Eintritt einer möglichen Diskriminierung oder sexuellen Belästigung konzentrieren, weil die Betroffenen nach meinem Verständnis nur ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen können – und nicht das der Verursacher von Diskriminierung und sexueller Belästigung. Diese Logik beinhaltet ausdrücklich nicht die Annahme, dass Opfer von Diskriminierung und sexueller Belästigung irgendeine Verantwortung für das Zustandekommen der gesetzeswidrigen Handlungen tragen. Im Fokus des Blogs stehen mögliche Handlungsoptionen in Situationen, die nicht immer klar und eindeutig sind, und die nur individuell betrachtet bzw. gelöst werden können.
Zunächst ist es wichtig, dass die Betroffenen selbst möglichst angemessen auf Diskriminierung und sexuelle Belästigung reagieren – und zwar unmittelbar, sachlich und bestimmt. Folgende Hinweise können dabei nützlich sein (Quelle: https://t1p.de/9hai):
Diesen Hinweisen folgend, ist es nützlich zunächst ein gemeinsames Verständnis über die kritische(n) Situation(en) herbeizuführen, denn häufig erleben und empfinden Sender und Empfänger diese unterschiedlich – was ausdrücklich keine Relativierung klaren und offensichtlichen Fehlverhaltens, wie z. B. gezielte unsittliche Berührungen (Grapschen), Beleidigungen, rohe Sprüche, Erpressung oder Nötigung, sein soll. Aber es gibt eben auch Beispiele, die weniger eindeutig sind: Ein Interviewer versucht durch ein Kompliment zu den Schuhen einer Bewerberin das Eis zu brechen und ihr die Nervosität zu nehmen. Ist das bereits Sexismus? Manche werden das so empfinden, andere nicht. Wo zieht man die Grenze? Wer entscheidet das?
Der deutsche Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat das Vier-Seiten Modell (auch Nachrichtenquadrat, Kommunikationsquadrat oder Vier-Ohren-Modell) entwickelt, welches die Komplexität der zwischenmenschlichen Kommunikation aus Sicht der Kommunikationspsychologie erklärt. Sehr empfehlenswert (nicht nur für Konfliktfälle) ist von Thuns Buch-Trilogie „Miteinander Reden 1-3“, aus dem man Einiges über zwischenmenschliche Kommunikation lernen kann.
Das Vier-Seiten-Modell ist Bestandteil dieser Buch-Trilogie und geht davon aus, dass jeder Mensch, der kommuniziert, auf verschiedenen Ebenen wirksam wird. Demzufolge enthält jede Äußerung vier Botschaften oder kann auf vier verschiedenen Ebenen verstanden werden. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob diese Ebenen vom Sender gewollt sind oder nicht, denn sie sind ein integraler Bestandteil jeder Nachricht. Es handelt sich um folgende Ebenen: 1. Sachinformation (worüber ich informiere), 2. Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe – einschließlich Gefühle, Werte, Ansichten sowie Bedürfnisse des Senders), 3. Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe), 4. Appell (was ich bei dir erreichen möchte).
Friedemann Schulz von Thun erläutert dieses anhand eines Beispiels, bei dem Mann und Frau in einem Auto sitzen. Die Frau fährt das Auto. Dieses kommt vor einer Ampel zum Stehen. Nach einer unbestimmten Wartezeit schaltet die Ampel auf grün. Nun sagt der Mann zur Frau:„Es ist grün!“, woraufhin ihm die Frau antwortet:„Fahre ich oder fährst du?“ (siehe: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat).
Eine verbreitete Form von Sexismus, die nach meinem Verständnis durch unmittelbares Feedback an die Verursacher aus der Welt geschafft werden kann, sind „Altherrenwitze“. Die wenigsten Männer, die „Altherrenwitze“ zum Besten geben, dürften nach meinem Verständnis Sexisten sein, und es sollte unter vernünftigen Menschen möglich sein, ein kommunikatives Problem aus der Welt zu schaffen, indem man gegenüber dem Verursacher unter vier Augen unmittelbar und direkt deutlich macht, dass man sich als Frau durch solche Bemerkungen herabgewürdigt oder verletzt fühlt. Wichtig ist (wie bei jedem Feedback), nicht die Person zu kritisieren, sondern ihr Verhalten und deutlich zu machen, wie dieses Verhalten auf Sie als Betroffene gewirkt hat.
Auf diese Art und Weise kann man auch auf Äußerungen zum Erscheinungsbild einer Frau (Körper, Make-up, Kleidung) oder auf despektierliche oder verniedlichende Spitznamen („Engelchen“) reagieren, die aus Sicht des Verursachers möglicherweise nur ein missglücktes Kompliment darstellen sollten. Sprechen Sie die Situation unmittelbar und direkt unter vier Augen an, sobald Sie merken, dass Sie sich unwohl damit fühlen.
Ein Augenöffner kann für den Verursacher die Frage sein, wie er sich fühlen würde, wenn man als Frau sein Erscheinungsbild öffentlich kommentierte. Oder wenn sich ein anderer Mann in gleicher Art und Weise zum Erscheinungbild der Frau/Freundin/Tochter des Verursachers äußern würde. Eine andere nützliche Frage ist die nach dem „Warum?“. „Sie bringen mich mit Ihren Bemerkungen immer wieder in Situationen, in denen ich mich nicht wohl fühle. Warum tun Sie das?“. In einem Gespräch unter vier Augen bringen Sie den Verursacher durch eine solche Frage mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest zum Nachdenken. Sollte der Verursacher während des Gesprächs versuchen auszuweichen und die Situation ins Lächerliche zu ziehen, müssen Sie ggf. kurz die Krallen ausfahren und resolut deutlich machen, dass Sie den Sachverhalt absolut nicht als lustig empfinden.
Nur wenige Menschen führen gerne unangenehme Gespräche – schon gar nicht unter vier Augen – und allein schon die Initiative zu einem solchen Gespräch zu ergreifen, erfordert Mut und Selbstbewusstsein. Es ist bei Diskriminierung und sexueller Belästigung wichtig, diesen Mut aufzubringen, um den Sachverhalt zu klären und dem Gegenüber klar zu machen, dass man als Betroffene sein diskriminierendes Verhalten nicht akzeptiert bzw. toleriert. Sollten Sie merken, dass Sie sich (bewusst oder unbewusst) vor einer solchen offenen Aussprache drücken, ist dies möglicherweise ein Hinweis auf ein wichtiges persönliches Entwicklungspotenzial.
Der Betroffene kann versuchen mit Schlagfertigkeit und Humor auf anzügliche Bemerkungen zu reagieren und dem Verursacher klar zu machen, dass sein Verhalten unangemessen ist. Auf den Spitznamen „Engelchen“ könnten Sie zum Beispiel reagieren, indem Sie deutlich machen, dass das „Engelchen“ sehr schnell zum „Teufelchen“ mutieren könnte, wenn es nicht ab sofort mit dem gebührenden Respekt behandelt wird. Je derber die Sprüche, desto schwieriger wird es allerdings, eine halbwegs angemessene Replik zu finden, zumal die Gefahr besteht, durch öffentliches Bloßstellen des Verursachers die Situation ungewollt zu eskalieren. Schlagfertigkeit und Humor kann man durchaus trainieren und ich möchte an dieser Stelle auf einschlägige Literatur, YouTube-Videos oder Coachings verweisen (bei Bedarf gerne auch bei mir).
Echten Rassisten, Sexisten und sonstigen Ideologen ist mit Feedback und sachlichen Argumenten nur schwer beizukommen. Diese Menschen leben in ihrer eigenen Welt und suchen primär nach Bestätigungen für ihre starren Vorurteile und ihres eigenen kruden Weltbildes. Bevor Sie jemanden in diese Schublade packen, stellen Sie bitte sicher, dass er es auch verdient hat, z. B. indem Sie die Situation mit einer Person Ihres Vertrauens oder einem Experten reflektieren. Ist die verbale oder gar juristische Axt erst einmal ausgepackt und jemand öffentlich als Sexist diskreditiert, lässt sich die Büchse der Pandora kaum wieder schließen.
Wenn Sie auf echte Hardcore-Sexisten oder besonders krasse, offensichtliche Formen von sexueller Belästigung treffen (z. B. gezielte unsittliche Berührungen, Beleidigungen, rohe Sprüche, Erpressung, Nötigung), gibt es verschiedene Strategien, wie man mit der misslichen Situation umgehen kann: Ich würde auch hier unbedingt empfehlen, zunächst ein persönliches Gespräch unter vier Augen zu suchen, in dem Sie den Verursacher mit seinem Verhalten und dessen Auswirkungen auf Sie konfrontieren. Auch solche Menschen haben Gefühle und scheuen sich vor unangenehmen direkten Gesprächen bzw. Auseinandersetzungen. Versuchen Sie zu verstehen, warum Ihr Gegenüber sich so verhält (vielleicht aus Unsicherheit oder aufgrund privater Probleme?) und bitten Sie ihn freundlich, aber bestimmt, darum, dieses Verhalten zukünftig zu unterlassen. Unter vier Augen deshalb, weil das Gespräch durch Hinzuziehung einer dritten Person einen anderen Charakter erhält und der Verursacher voraussichtlich anders (weniger offen/defensiver/aggressiver) reagieren wird.
Sollte dies nichts fruchten, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe von Fachleuten zu holen, die Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen haben. Darüber hinaus können Sie sich Verbündete innerhalb des Teams suchen, den Verursacher innerhalb des Teams isolieren, seine sexistischen oder diskriminierenden Handlungen immer wieder als solche anprangern und an den Anstand anwesender Kollegen appellieren, Partei zu ergreifen, und offensichtliches Unrecht nicht zu dulden. Wenden Sie sich ggf. an den Betriebsrat (soweit vorhanden), der ggf. Kenntnis von ähnlich gelagerten Fällen hat oder schalten Sie erfahrene Mediatoren ein, die sich mit Konflikten im betrieblichen Umfeld auskennen. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet kompetente Beratung für Betroffene an (siehe: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/). Bitten Sie Ihren Vorgesetzten, dafür zu sorgen, dass die Diskriminierung oder sexuelle Belästigung gestoppt wird. Wenn all diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen, gehen Sie dem Verursacher aus dem Weg, wechseln Sie den Arbeitsplatz innerhalb oder außerhalb des Unternehmens oder schlagen Sie als ultima ratio den Rechtsweg ein.
Letztlich trägt der Vorgesetzte als Führungskraft im Rahmen seiner Organisations- und Aufsichtspflichten die Verantwortung dafür, dass diskriminierende, sexistische oder andere ungesetzliche oder ungebührliche Verhaltensweisen in seinem Verantwortungsbereich unterbunden werden. Von den US-amerikanischen Educational Leadership-Experten Steve Gruenert und Todd Whitaker stammt der kluge Satz „The culture of any organization is shaped by the worst behavior, the leader is willing to tolerate“, also auf Deutsch „Die Kultur einer jeden Organisation wird geprägt vom schlechtesten Verhalten, welches der Führer bereit ist, zu tolerieren.“ Auch Ihr Vorgesetzter muss sich fragen (lassen), was er in diesem Sinne tun kann bzw. muss, um eine konstruktive Zusammenarbeit und ein positives, konfliktfreies Betriebsklima (selbstverständlich ohne Diskrimierung und sexuelle Belästigung) in seinem Verantwortungsbereich herzustellen.
Sollte ihr direkter Vorgesetzter selbst das Problem sein, müssen Sie nach dem Führen des Vier-Augen-Gesprächs mit ihm entscheiden, ob Sie den übergeordneten Vorgesetzten ihres direkten Vorgesetzten in den Konflikt involvieren, falls keine Besserung in Sicht sein sollte oder ob Sie sich lieber einen Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung bzw. in einem anderen Unternehmen suchen. Übergeordnete Vorgesetzte neigen dazu, sich bei Konflikten zwischen untergeordneten Vorgesetzten und deren Mitarbeitern, auf die Seite des untergeordneten Vorgesetzten zu schlagen, ganz einfach um keine Präzedenzfälle zu schaffen und die Autorität des untergeordneten Vorgesetzten nicht zu untergraben. Das soll nicht heißen, dass man keine Chance hat, sich in solchen Konstellationen gegen offensichtliches Unrecht zu wehren, sondern nur, dass die Konfliktbereinigung über mehrer Hierachieebenen nochmals deutlich komplizierter wird, als bei einer bilateralen Konfliktsituation, weil dort andere Erwägungen einbezogen werden (müssen).
Zum Abschluss möchte ich noch auf einige rechtliche Grundlagen verweisen, die genutzt werden können bzw. sollten, um sich gegen (geschlechterspezifische) Diskriminierung zu wehren.
1. Ungleicher Lohn für gleichwertige Tätigkeit
Das am 06.07.2017 in Kraft getretene „Entgelttransparenzgesetz“ verbietet bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ausdrücklich die unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen (§ 3 Absatz 1). Zur Durchsetzung dieses Verbotes sind verschiedene Instrumente vorgegeben:
a) Individueller Auskunftsanspruch
Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen diesen auf deren Anfrage darlegen, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden (§§ 10 bis 16). Dieser Anspruch kann seit dem 06.01.2018 gestellt werden. Beschäftigte tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber wenden sich für ihr Auskunftsverlangen an den Betriebsrat (§ 14), Beschäftigte nicht tarifgebundener oder nicht tarifanwendender Arbeitgeber wenden sich dabei an den Arbeitgeber (§ 15). Der Anspruch besteht jedoch nur, wenn es im Unternehmen mindestens sechs Mitarbeiter gibt, die vergleichbare Positionen haben. Für den Fall, dass eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorlag, kann das zu wenig gezahlte Entgelt rückwirkend verlangt werden.
b) Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit
Private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen und deren Anwendung auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen (§§ 17 bis 20).
c) Berichtspflichten für Arbeitgeber
Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die nach dem Handelsgesetzbuch verpflichtet sind, einen Lagebericht zu erstellen, müssen einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen. In diesem sollen sie ihre Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie ihre Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer aufführen (§§ 21 und 22).
Die gute Nachricht ist: Wenn man sich benachteiligt fühlt, gibt es zumindest in größeren Betrieben die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. In kleineren Betrieben haben die Betroffenen zumindest die Möglichkeit ihr Gefühl der Benachteiligung gegenüber dem Arbeitgeber zu artikulieren und um Transparenz bzw. Nachbesserung zu bitten. Fragen kostet nichts und ein guter Arbeitgeber wird in der Regel versuchen, guten Mitarbeitern auch das Gefühl zu geben, dass sie fair und anständig behandelt und bezahlt werden.
Hinweis: In dem ZEIT-Artikel wurde ein Beispiel angeführt, wo eine Frauen als Vorgesetzte von Männer ein niedrigeres Einkommen hatte, als ihre Mitarbeiter. Solche Fälle sind meines Erachtens nicht unbedingt geschlechterspezifisch. Ich selbst habe vor allem in der ersten Hälfte meiner Karriere auch in solchen Konstellationen gearbeitet. Vor allem, wenn junge Mitarbeiter/-innen schnell gefördert werden, lassen sich solche Fälle in der Praxis gar nicht vermeiden.
2. Diskriminierung wegen Schwangerschaft und Elternzeit
Diskriminierung wegen Schwangerschaft oder Elternzeit ist zugegebenermaßen ein schwieriges Thema.
Einerseits ist es aus menschlicher und gesellschaftlicher Sicht ausdrücklich erwünscht, dass möglichst viele Kinder geboren werden. Andererseits ist selbst unter günstigsten Rahmenbedingungen (Ganztageseinrichtungen zur Betreuung der Kinder, Tagesmütter, Verwandte und Freunde in der Umgebung) eine stetige Herausforderung, Elternschaft und Berufstätigkeit miteinander in Einklang zu bringen – organisatorisch, finanziell und emotional. Als engagierter Vater, der seine drei Kinder mit viel Herzblut seit mehr als 15 Jahren im Rahmen eines Wechselmodells zur Hälfte betreut, weiß ich, wovon ich rede.
In Deutschland ist der Mutterschutz für Arbeitnehmerinnen im Mutterschutzgesetz (MuSchG) festgelegt, das die Bedingungen für den Einsatz von schwangeren Frauen in einem Arbeitsverhältnis definiert. Die jüngste Neufassung erfolgte in 2018. Für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen gelten in Deutschland besondere, aber inhaltlich dem MuSchG vergleichbare Mutterschutzverordnungen. Die „Mutterschafts-Richtlinien“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung dienen dagegen der ärztlichen Schwangerenvorsorge aller gesetzlich krankenversicherten Frauen, unabhängig von einer Erwerbstätigkeit, zur frühzeitigen Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.
Als Elternzeit wird in Deutschland ein Zeitraum unbezahlter Freistellung von der Arbeit nach der Geburt eines Kindes bezeichnet. Auf diese Freistellung haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch, der in § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Er besteht unabhängig vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Anspruchsinhabers, sofern sein Arbeitsverhältnis nach deutschem Arbeitsrecht geschlossen wurde. Wenn das bestehende Arbeitsverhältnis nicht dem deutschen Arbeitsrecht unterliegt, ergibt sich der Anspruch auf Elternzeit aufgrund des Art. 9 Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Beamte sowie Berufs- und Zeitsoldaten haben ebenfalls Anspruch auf Elternzeit. Für sie gelten besondere Verordnungen, die jedoch die Bestimmungen des BEEG teilweise für entsprechend anwendbar erklären.
Der Gesetzgeber bemüht sich seit Jahren, mehr junge Väter zu motivieren, ihren Anspruch auf Elternzeit wahrzunehmen. Laut des „Väterreport“ des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Mai 2018 (siehe: https://www.bmfsfj.de/blob/127268/2098ed4343ad836b2f0534146ce59028/vaeterreport-2018-data.pdf), hat sich das Selbstverständnis der heutigen Väter im Vergleich zu ihren eigenen Vätern stark gewandelt. Zitat: „Rund 70 Prozent sagen, dass sie sich mehr an der Erziehung und Betreuung der Kinder beteiligen als die Väter ihrer Elterngeneration – und sie bewerten das als persönlichen Gewinn. Und mehr als die Hälfte der Väter mit Kindern unter sechs Jahren würde gerne mindestens die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Ihr Verständnis von Vaterschaft bedeutet auch, dass sie sich nicht mehr vorstellen können, die Rolle des alleinigen oder hauptsächlichen Familienernährers zu übernehmen. So wünschen sich 76 Prozent der jungen Männer heute eine Partnerin, die selbst für den eigenen Lebensunterhalt sorgt. Verändert haben sich auch die gesellschaftlichen Erwartungen an Väter – für eine Mehrheit gehört zum Vater sein heute ein intensives Engagement in der Familie dazu. […] Jeder dritte Vater nimmt heute, unterstützt vom Elterngeld, eine Elternzeit: Er reduziert seine Arbeitsstunden oder unterbricht seine Erwerbstätigkeit für einen bestimmten Zeitraum. Die deutliche Mehrheit bewertet dies offenbar als Fortschritt: 82 Prozent der Bevölkerung finden es gut, wenn Väter eine Auszeit nehmen oder Arbeitszeiten reduzieren, um sich um die Kinderbetreuung zu kümmern. Fast jeder fünfte Vater hätte gerne Elternzeit genommen, hat aber aus Angst vor Einkommensverlusten und/oder beruflichen Nachteilen sowie organisatorischen Problemen im Betrieb darauf verzichtet.“
Trotz dieser positiven Veränderungen, wird die Hauptlast bei der Betreuung und Erziehung von Kindern in Deutschland nach wie vor von Frauen getragen. Wahrscheinlich klagen aus diesem Grund auch 37% der von der ZEIT befragten Frauen über Diskriminierung wegen Schwangerschaft oder Elternzeit.
Dass sich die Begeisterung von Vorgesetzten über längere Abwesenheitszeiten aufgrund von Schwangerschaft und Elternzeit in Grenzen hält, ist nachvollziehbar, denn die abwesenden Mitarbeiter hinterlassen im Verantwortungsbereich des Vorgesetzten eine Lücke, die irgendwie gefüllt werden muss, um die vorhandene Arbeit zu erledigen. Es wird die betroffenen Frauen kaum trösten, dass Benachteiligungen wegen Schwangerschaft oder Elternzeit nicht geschlechterspezifisch motiviert sind. Männliche Mitarbeiter, die über längere Zeiträume ihren Anspruch auf Elternzeit wahrnehmen, werden meines Erachtens ähnliche Erfahrungen machen, wie weibliche Mitarbeiter.
Wenn sich ein Paar entscheidet, Kinder zu bekommen, wirkt sich dies logischerweise auf viele Lebensbereiche dieses Paares aus. Einige weiterführende Erfahrungen und Überlegungen finden Sie in meinem Blog „Das Geheimnis glücklicher Kinder“ vom 01.08.2017: https://kubraconsult.blog/2017/02/18/das-geheimnis-gluecklicher-kinder/.
3. Sexuelle Belästigung
Das folgende Zitat stammt aus einem ZEIT-Artikel vom 25.01.2013 unter der Überschrift „Wie man sich würdevoll gegen Herrenwitze wehrt“ (siehe: https://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-01/sexuelle-belaestigung-herrenwitze):
„So gut wie jede Frau, die an einer männlich dominierten Runde abends an der Bar teilgenommen hat, kennt sie: die Kurz-vor-Mitternacht-schmutzige-Witze-Phase. Männer machen gegenüber Frauen zweideutige, anzügliche Bemerkungen, die oft als Kompliment getarnt und doch eindeutig Übergriffe sind. Der öffentliche Aufschrei, den mehrere junge Journalistinnen derzeit wagen, indem sie über verbale Grenzüberschreitungen männlicher Politiker berichten, bringt eine Debatte in Gang, die überfällig ist. Ist der Herrenwitz noch gesellschaftsfähig? Was ist eigentlich so schlimm an zweideutigen Anspielungen? Und wo verläuft die Grenze zur sexuellen Belästigung?
Gesetzlich klar ist: Auch Worte können sexuelle Belästigung sein. Seit dem Jahr 2006 regelt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) das Thema. Paragraf 3 Absatz 4 des AGG definiert sexuelle Belästigung als ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Dazu gehören auch Äußerungen, Gesten, Blicke und körperliche Berührungen. Schon Bemerkungen sexuellen Inhalts sind damit als Belästigung zu werten.
Allerdings – und das ist für viele Betroffene eine Herausforderung – muss die betroffene Person erkennbar zeigen, dass sie solches Verhalten ablehnt. Das heißt konkret: Sie muss sagen, dass sie das Verhalten des Täters als unangemessen und verletzend empfindet und ihn sofort auffordern, es zu unterlassen.
Die Herausforderung ist, dies auch zu tun, wenn die Bemerkung vermeintlich harmlos war und von vielen Zeugen nicht als Belästigung aufgefasst wurde.“
Fazit:
Wenn Sie in eine Situation kommen, in der Sie sich diskriminiert oder sexuell belästigt fühlen, reagieren Sie unmittelbar, sachlich und bestimmt. Klären Sie im Rahmen eines Gesprächs unter vier Augen mit Hilfe der erläuterten Feedback-Hinweise den Sachverhalt: Was habe ich verstanden? Was hat der andere gemeint? Finden Sie heraus, ob die Diskriminierung oder sexuelle Belästigung die Folge eines Mangels an Empathie ist und durch Feedback mit klaren Vereinbarungen behoben werden kann, oder ob es sich um einen „Hardcore-Sexisten“ handelt, bei dem andere Strategien erforderlich sind. Suchen Sie in jedem Fall das direkte Gespräch und versuchen Sie, den Verursacher dazu zu bringen, die Auswirkungen seines Handelns auf Sie und ihre Gefühle zu verstehen und sein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen.
Sollte ein Gespräch unter vier Augen unter Beachtung der Feedback-Regeln nichts fruchten, gibt es verschiedene Handlungsoptionen, die man in Abhängigkeit von der Situation anwenden kann. Es ist es grundsätzlich ratsam, sich professionelle Hilfe von Fachleuten zu holen, die Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen haben. Suchen Sie sich Verbündete innerhalb des Teams, isolieren Sie den Kollegen innerhalb des Teams, prangern Sie seine sexistischen oder diskriminierenden Handlungen immer wieder als solche an und appellieren Sie an den Anstand anwesender Kollegen, Partei zu ergreifen, und offensichtliches Unrecht nicht zu dulden.
Wenden Sie sich an den Betriebsrat (soweit vorhanden), der ggf. Kenntnis von ähnlich gelagerten Fällen hat oder schalten Sie erfahrene Mediatoren ein, die sich mit Konflikten im betrieblichen Umfeld auskennen oder lassen Sie sich von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten. Bitte Sie Ihren Vorgesetzten, dafür zu sorgen, dass die Diskriminierung oder sexuelle Belästigung gestoppt wird. Wenn all diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen, gehen Sie dem Verursacher aus dem Weg, wechseln Sie den Arbeitsplatz innerhalb oder außerhalb des Unternehmens oder schlagen Sie als ultima ratio den Rechtsweg ein.
Für konstruktives Feedback und ergänzende Hinweise zu diesem Blog bin ich, wie immer, offen und dankbar.