Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ich während meiner rund 30-jährigen Karriere entwickelt habe, ist die Fähigkeit zur Analyse und Lösung unternehmenskritischer Probleme. Nach einigen Jahren erkannte ich, dass es keine Rolle spielt, ob diese Probleme durch technische, organisatorische oder menschliche Fehler verursacht werden. Es gibt gemeinsame „rote Fäden“ oder Muster, die typisch für die meisten unternehmenskritischen Probleme sind und die genutzt werden können, um diese Probleme effektiv und nachhaltig zu lösen. Die folgenden Gedanken sollen Ihnen Orientierung und Anleitung geben, wie Sie mit unternehmenskritischen Problemen umgehen können.

  1. Setzen Sie eine heterogen besetzte Task Force aus Fachleuten ein, die in der Lage sind, das Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren (z. B. Vertrieb, F&E, Produktion, IT, etc.) – je unterschiedlicher die Fähigkeiten und Erfahrungen dieser Fachleute sind, desto besser werden die Ergebnisse der Task Force sein. Achten Sie auch darauf, dass jüngere und erfahrenere Fachleute in die Task Force aufgenommen werden, da beide Typen in der Regel unterschiedliche Sichtweisen auf Probleme haben.
  2. Vertrauen Sie die Leitung der Task Force einem unabhängigen und erfahrenen Manager an, der von dem zu analysierenden unternehmenskritischen Problem nicht persönlich betroffen ist – um eine neutrale und sachliche Problemanalyse sowie gezielte Empfehlungen zur Problemlösung zu gewährleisten. Es ist nützlich, wenn dieser Manager innerhalb des Unternehmens über eine gute Reputation hinsichtlich seiner Integrität, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit verfügt. Auch externe Task Force-Leiter sind eine Option, wenn sichergestellt ist, dass sie über angemessene Kenntnisse des Unternehmens (Organisation, Prozesse, Geschäftszweck) verfügen und keine Eigeninteressen verfolgen (z. B. über die Task Force zusätzlichen Beratungsumsatz zu generieren).
  3. Instruieren Sie die Task Force an, beim Krisenmanagement von Beginn an das Ende im Hinterkopf zu behalten , d. h. die Task Force soll das Problem aus der Perspektive der großen (internen oder externen) Kunden oder Stakeholder analysieren. Wenn mehr als ein Stakeholder von dem Problem betroffen ist, müssen die Mitglieder der Task Force in die Lage versetzt werden, die unterschiedlichen Standpunkte und Anforderungen dieser Stakeholder zu verstehen. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die unternehmenskritischen Probleme Auswirkungen auf Compliance, Reputation oder gar den Fortbestand des Unternehmens haben. Unter Berücksichtigung der Anforderungen der wesentlichen Stakeholder sollte die Task Force einen Soll-Zustand für das unternehmenskritische Problem definieren, der nach Umsetzung aller Empfehlungen im Idealfall ein neu gestalteter Prozess ist.
  4. Stellen Sie sicher, dass die Task Force eine korrekte und unabhängige Ursachenanalyse durchführt, die die strukturellen Gründe für das unternehmenskritische Problem identifiziert und aufzeigt. Die tatsächlichen Ursachen für ein Problem sind leider häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar. Die gute Nachricht ist: Alle wesentlichen Einflussfaktoren sind der Organisation in der Regel bekannt, werden aber manchmal aus verschiedenen Gründen nicht offen kommuniziert. Um die strukturellen Ursachen für ein Problem zu identifizieren, muss die Task Force eine Reihe von bewährten Methoden und Techniken anwenden, wie zum Beispiel Befragungen, Benchmarking mit vergleichbaren internen/externen Unternehmenseinheiten oder einfache Methoden, wie „Ask 5 times Why“, um den Kern des Problems freizulegen. Nach meiner Erfahrung ist der wichtigste Erfolgsfaktor bei der Analyse eines unternehmenskritischen Problems die Durchführung von vertraulichen Interviews mit einer ausreichenden Stichprobe verschiedener Personen, die an dem Problem beteiligt oder von ihm betroffen sind, z. B. anhand eines Fragebogens mit Standardfragen. Der entscheidende Schritt ist, dass Sie verschiedenen Personen die gleichen Fragen stellen und die Antworten vergleichen, nachdem Sie die Interviews durchgeführt haben. Nach einer relativ geringen Anzahl von Interviews (ca. 10) werden Sie in der Regel, Muster in den Antworten der befragten Personen erkennen können. Erster wichtiger Hinweis: Die Interviews müssen in einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäre geführt werden. Der beste Weg, um sicherzustellen, dass die Befragten ihre Meinung offen und unkompliziert äußern, ist, jedem Befragten zu garantieren, dass der Inhalt, der in den persönlichen Interviews besprochen wurde, streng vertraulich behandelt wird. Kein Befragter darf und wird zitiert werden. Alle individuellen Interviewergebnisse müssen unbedingt innerhalb des Teams der Task Force verbleiben. Vertraulichkeit ist absolut entscheidend für den Erfolg der gesamten Task Force, da die eigentlichen Ursachen nicht ohne die unbegrenzte und uneingeschränkte Erfassung und Analyse der wesentlichen Fakten identifiziert werden können. Zweiter wichtiger Hinweis: Die Heterogenität des Kreises der Interviewten hat entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Ursachenanalyse, da alle wesentlichen Facetten des Problems und seiner Ursachen erfasst werden müssen und da komplexe Probleme nicht selten prozessübergreifende Ursachen haben. Die Interviews sollten grundsätzlich von zwei Interviewern geführt werden: einem, der Fragen stellt, dem zweiten, der Notizen macht. Die Ergebnisse der Interviews sollten am Ende eines jeden Arbeitstages vom gesamten Task Force-Team diskutiert und hinterfragt werden. Werden während der Interviews wichtige neue Aspekte von den Befragten angesprochen, sollte die Standardfragen natürlich entsprechend angepasst werden.
  5. Am Ende der Analysephase sollte die Task Force Hypothesen formulieren, die auf überprüften, stichhaltigen Fakten beruhen, und die die wichtigsten Ergebnisse der Ursachenanalyse zusammenfassen, z. B. „Der Output der Abteilung x ist in den letzten vier Quartalen um y% gesunken, weil unser Hauptkonkurrent unerwartet 15 Mitarbeiter abgeworben hat“. Wichtiger Hinweis: Alle Hypothesen sollten allen Befragten in einem so genannten „Fortschrittsgespräch“ vorgestellt werden, das etwa in zur Hälfte der Analysephase stattfinden sollte.Wesentliches Ziel des Fortschrittsgesprächs ist es, sicherzustellen, dass alle Fakten von der Task Force richtig verstanden und die Hypothesen von den Interviewten in vollem Umfang akzeptiert werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Task Force und Interviewten sind im Rahmen des Fortschrittsgesprächs konkrete Maßnahmen zu vereinbaren, wie die Fakten nochmals überprüft und die Hypothesen angepasst werden könnten, z. B. durch Analyse weiterer überprüfbarer Dokumente.
  6. Wenn die Analysephase wie beschrieben durchgeführt wurde, ist die Ableitung adäquater Empfehlungen in der Regel nur noch eine Formsache, da die Empfehlungen einfach die Lücke zwischen dem Ist-Zustand und dem durch die Hypothesen beschriebenen Soll-Zustand schließen.
  7. Auch die die Lösung des unternehmenskritischen Problems durch Umsetzung der Empfehlungen ist letztlich „nur“ Mechanik. Meine Erfahrung ist jedoch, dass die Umsetzung der Empfehlungen am besten funktioniert, wenn sie von einem verantwortlichen Manager koordiniert wird, der an den Leiter der Geschäftseinheit berichtet. Darüber hinaus sollte die Task Force nach einer angemessenen Zeitspanne überprüfen, ob alle Empfehlungen anforderungsgerecht umgesetzt werden.

Zusammenfassung: Krisenmanagement ist keine Raketenwissenschaft, sondern erfordert einen systematischen Ansatz, der die Einbindung eines unabhängigen und erfahrenen Task Force-Leiters mit hoher Reputation, den Aufbau einer heterogen besetzten Task Force mit unterschiedlichen Experten und die systematische Anwendung von Standardtechniken und -methoden zur Problemanalyse und -lösung beinhaltet. Nicht zuletzt sollte die Teilnahme an einer Task Force als Fördermaßnahme für ambitionierte Mitarbeiter in Ihrer Organisation angesehen werden, da sie in der Regel während der Tätigkeit in der Task Force eine enorme Lernkurve durchlaufen.

Eine englische Fassung dieses Blogs vom 22.04.2016 finden Sie hier: https://kubraconsult.blog/2017/01/18/firefighting-some-thoughts-on-how-to-effectively-resolve-mission-critical-problems/.

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