HINWEIS: ES GIBT MITTLERWEILE EINE AKTUELLERE VERSION DIESES BLOGS IN DEUTSCHER UND ENGLISCHER SPRACHE UNTER:

https://kubraconsult.blog/2017/11/29/warum-bitcoinco-bei-weitem-nicht-das-groesste-problem-in-unserem-globalen-finanzsystem-sind/

https://kubraconsult.blog/2017/11/28/why-bitcoinco-are-by-far-not-the-biggest-issue-in-our-global-financial-system/.

In meinem Newsfeed taucht ab und zu folgende Grafik auf, die nach meinen Recherchen von der US-amerikanischen Internetseite HowMuch.net stammt, und aufzeigen soll, wieviel Geld es auf der Welt gibt und in welchen „Aggregatzuständen“ dieses Geld verfügbar ist – siehe: https://howmuch.net/articles/worlds-money-in-perspective (Hinweis: Ich bitte um Nachsicht, dass ich im Folgenden den Begriff „Geld“ bzw. „Geldmenge“ synonym zu „Kapital“ verwende, auch wenn das nicht ganz präzise ist).

XING - World Money

Da mir die in dieser Grafik genannte Zahl von 83,6 Billionen USD für die gesamte Geldmenge auf unserem Planeten sehr niedrig vorkam, habe ich sie überprüft und bin dabei auf die US-amerikanische Internetseite von „The Money Project“ gestoßen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Daten und Fakten rund um’s Geld in eingängiger Form zu visualisieren.

Auf dieser Internetseite gibt es einen Artikel vom 17.12.2015 unter der Überschrift „All of the World’s Money and Markets in one Visualization“ mit einer Grafik, die einigermaßen verblüffende Daten zur weltweiten Geldmenge enthält  (siehe: http://money.visualcapitalist.com/all-of-the-worlds-money-and-markets-in-one-visualization/).

Die Daten in dieser Grafik stammen vermutlich aus dem Jahr 2015 und sind daher nicht mehr ganz aktuell. Ungeachtet dessen, sollten sich die Dimensionen der „Aggregatzustände“, auf die sich das Geld bzw. Kapital auf der Welt verteilt, in den vergangenen 18 Monaten (mit Ausnahme der Kryptowährungen) nicht wesentlich verändert haben.

Laut „The Money Project“ verteilte sich das weltweite Kapital in 2015 wie folgt (soweit mir bekannt, habe ich die aktuellen Daten in Klammern ergänzt):

  1. Gesamtwert sämtlicher Bitcoins in 2015 = 5 Milliarden USD (Hinweis: In den Morgenstunden des 06.06.2017 hat die Marktkapitalisierung sämtlicher Kryptowährungen auf der Welt erstmalig den Wert von 100 Milliarden USD erreicht, d. h. der Wert ist in den vergangenen 18 Monaten explodiert)
  2. Gesamtwert der weltweiten (bereits geförderten) Silbervorräte = 14 Milliarden USD
  3. Vermögen von Bill Gates als reichster Mann der Welt in 2015 = 79.2 Milliarden USD (aktuell: 88,7 Milliarden USD)
  4. Marktkapitalisierung (Börsenwert) von Apple als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen in 2015 = 616 Milliarden USD (aktuell: 752 Milliarden USD)
  5. Bilanzsumme der US Federal Reserve (FED) und der Europäischen Zentralbank (EZB) = jeweils ca. 4,5 Billionen USD (Hinweis: Zwischen 2008 und 2016 haben sich die Bilanzsummen der FED und der EZB durch sogenannte „Quantitative Easing (QE)“ Programme, mit denen Staats- und Unternehmensanleihen angekauft wurden, vervielfacht – allein bei der EZB liegt der Gegenwert der zwischen 2015 und 2015 aufgekauften Anleihen bei 2,3 Billionen € bzw. 2,55 Billionen USD). 
  6. Gesamtwert sämtlicher Münzen und Banknoten auf der Welt = 5 Billionen USD
  7. Gesamtwert sämtlicher kommerzieller Immobilien auf der Welt = 7,6 Billionen USD
  8. Gesamtwert der weltweiten (bereits geförderten) Goldvorräte = 7,8 Billionen USD
  9. Gesamtwert des weltweiten (einfach zugreifbaren) „Narrow Money“ inklusive Münzen, Banknoten und Guthaben auf Girokonten = 28,6 Billionen USD
  10. Marktkapitalisierung (Börsenwert) sämtlicher Aktienmärkte = 70 Billionen USD (davon entfallen 52% auf die USA, 8% auf Europa, 7% auf Japan, 2% auf China und 31% auf den Rest der Welt)
  11. Gesamtwert des weltweiten „Broad Money“ einschließlich Münzen, Banknoten, Guthaben auf Girokonten sowie langfristiger Geldanlagen auf Spar- oder Festgeldkonten = 80,9 Billionen USD
  12. Gesamtwert der weltweiten Schulden = 199 Billionen USD einschließlich 59,7 Billionen USD Staatsschulden (von den Staatsschulden entfallen 29% auf die USA, 26% auf Europa, 20% auf Japan, 6% auf China und 19% auf den Rest der Welt)
  13. Gesamtwert der weltweiten Derivate = 630 Billionen USD bis 1,2 Billiarden USD, also 630.000.000.000.000 USD bis 1.200.000.000.000.000 USD 

Für diejenigen, die nicht täglich mit Milliarden, Billionen oder gar Billiarden hantieren müssen, habe ich hier einen Vergleich, der die schockierende Dimension der Zahlen verdeutlicht: Eine Billion ist eine „eins“ mit zwölf Nullen und eine Billiarde eine „eins“ mit fünfzehn Nullen. Wenn man vier Milliarden 500 €-Scheine übereinander stapelt (das entspricht dem Gegenwert von 2 Billionen €) erreicht der Geldstapel die Höhe der Raumstation ISS, die die Erde in ungefähr 400 Kilometern Entfernung über der Erdoberfläche umkreist. Wenn man für einen Moment den Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro von derzeit ca. 1,14 USD/€ vernachlässigt, dann entspricht der Gesamtwert der weltweiten Derivate einem Stapel von 500 €-Scheinen mit einer Höhe zwischen 126.000 und 240.000 Kilometern – der arithmetische Mittelwert von 183.000 Kilometern entspricht ungefähr der halben Entfernung zwischen Erde und Mond.

Ein Derivat ist ein Vertrag zwischen zwei oder mehr Parteien, der seinen Wert aus der Entwicklung eines darunter liegenden Vermögenswertes, Indexes oder eines sonstigen Objektes (z. B. Rohstoffe oder Währungen) ableitet. Derivate dienen Unternehmen und Investoren eigentlich dazu, die Risiken aus der Veränderungen von Preisen zu verteilen und abzufedern, vor allem bei Zinsen, aber auch bei Wechselkursen, Rohstoffen oder Aktien. Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre trieben Spekulanten das Handelsvolumen mit Derivaten in ungeahnte Dimensionen (siehe: https://www.querschuesse.de/otc-derivate-casino-mit-707569-billionen-dollar-an-nominalen-volumen/).

Beispiele für Derivate sind Futures Kontrakte, Forwards Kontrakte, Optionen, Warrants, Swaps sowie „Collateralized Debt Obligations (CDOs)“ und „Credit Default Swaps (CDS)“, die als wesentliche Verursacher der globalen Finanzkrise ab 2008 zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten und von Warren Buffet bereits in 2003 als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet wurden.

Der Großteil dieser „Wertpapiere“ wird außerhalb von Börsen als so genannte „over-the-counter trades“ zwischen privaten Anlegern getätigt. Daher ist das Gesamtsystem des Handels mit Derivaten mit seinen inhärenten Risiken für die Regierungen, Zentralbanken und Regulierungsbehörden völlig intransparent. Die Regulierungsbehörden sind nicht in der Lage, die Werteflüsse und Risiken aus dem Handel mit Derivaten zu monitoren, geschweige denn zu kontrollieren.

Viele Finanzprofis sehen den Handel mit Derivaten als „Nullsummenspiel“ an, da es für jede Wette (und nichts anderes sind Derivate) jeweils einen Gewinner und einen Verlierer gibt. Ungeachtet dessen birgt das Gesamtsystem allein aufgrund seiner schieren Größe unabsehbare Risiken für das globale Finanzsystem.

Legt man den Mittelwert zwischen niedrigster und höchster Schätzung für den Gesamtwert der weltweiten Derivate in 2015 zugrunde – das sind 915 Billionen USD – dann liegt der Gesamtwert der weltweiten Derivate beim mehr als 11-fachen des weltweiten Geld- und Sparvermögen bzw. sogar beim mehr als 13-fachen der Marktkapitalisierung bzw. des Börsenwertes sämtlicher Aktienmärkte.

Leider mussten wir in den vergangenen 45 Jahren viel zu viele unangemessene, unmoralische oder sogar kriminelle Vorfälle mit starkem negativen Einfluss auf die Realwirtschaft erleben, die durch die Finanzindustrie verursacht wurden. In vielen Fällen hatten die Steuerzahler die Rechnung dafür zu bezahlen (wesentliche Beispiele siehe: https://kubraconsult.blog/2017/04/22/warum-die-globale-finanzindustrie-reguliert-und-in-ketten-gelegt-werden-sollte/).

Aus diesem Artikel stammt folgende Schlussfolgerung:

ZITAT: „In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass fast alle wesentlichen Instrumente für kurzfristige Spekulationen oder andere Finanzmanipulationen mit negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaften, erst während der letzten 45 Jahre erfunden, eingeführt oder zumindest missbraucht und pervertiert wurden – als Folge von verhängnisvollen Deregulierungen, die durch die US-Präsidenten Carter, Reagan, George Bush, Clinton and George W. Bush und verschiedene europäische Staatsoberhäupter (z. B. Margret Thatcher, John Major, Tony Blair, Helmut Kohl, Gerhard Schröder) in Kraft gesetzt wurden.

Die Finanzindustrie hat ihren durch die Deregulierungen massiv erweiterten Spielraum genutzt, um Instrumente für kurzfristige Spekulationen und andere Finanzmanipulationen einzuführen, aufzurüsten oder auszuweiten, wie z. B. computergestützten Hochfrequenzhandel, Short Selling, Hedging, Spekulationen mit Rohstoffen oder mit bzw. gegen Währungen basierend auf Long bzw. Short Equity-Modellen, Credit Default Swaps (CDS), Asset Backed Securities (ABS) einschließlich Collateralized Debt Obligations (CDO), steuervermeidende Transaktionen unter Nutzung von Offshore-Centern und so weiter …

All diese aufgelisteten Instrumente sind weder gottgegeben, noch wird das globale Finanzsystem zusammenbrechen, wenn diese Instrumente streng reguliert oder sogar verboten werden. Im Gegenteil: Eine wesentliche Vereinfachung des globalen Finanzsystems und seiner Instrumente in Kombination mit einer Harmonisierung und Vereinfachung unser Steuersysteme hätte einen gesunden und positiven Einfluss auf die Weltwirtschaft. Unsere Weltwirtschaft sollte unter keinen Umständen ein Spielplatz für skrupellose Spieler und Wetter sein. Leute, die spielen und wetten wollen, sollten ihre Triebe im Spielkasino mit ihrem eigenen Geld auf eigenes Risiko befriedigen – und nicht mit der Weltwirtschaft auf Kosten der Steuerzahler.

Die Erfahrungen der letzten 45 Jahre (mit Richard Nixons kolossaler Fehlentscheidung, in 1971 die Goldbindung des US-Dollars an den Goldpreis aufzuheben als Ausgangspunkt) zeigt, dass die Finanzindustrie weder willens, noch in der Lage ist, die vorgenannten Anforderungen auf freiwilliger Basis zu erfüllen. Stattdessen muss die Finanzindustrie durch Regierungen und Regulierungsbehörden (die nicht durch Lobbyisten infiltriert und korrumpiert sind) wirksam in Ketten gelegt werden – und diese Ketten sollten so stark wie möglich sein.“ (ZITAT ENDE)

EXKURS:

Die Risiken resultierend aus den Anleihenkaufprogrammen der Zentralbanken sind zwar im Vergleich zu den Risiken aus dem Handel mit Derivaten eher gering, da jedoch das Grundkapital der Europäischen Zentralbank (EZB) durch die nationalen Notenbanken der Eurozone gezeichnet wird, haften die Steuerzahler der Mitgliedsstaaten der Eurozone unmittelbar für sämtliche Überschüsse und Defizite der EZB. Das heißt Gewinne oder Verluste der EZB, werden – nach Berücksichtigung eines angesparten Sicherheitspolsters – entsprechend des Kapitalschlüssels an die nationalen Notenbanken weitergereicht (siehe: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Themen/2014/2014_01_14_das_steckt_hinter_dem_kapitalschluessel.html). Wichtig: Maßgeblich für diese Gewinn- oder Verlustzuweisung ist nicht der Anteil der nationalen Notenbanken am Grundkapital der EZB, sondern der Anteil am voll eingezahlten Kapital. Dieser Anteil lag für die Deutsche Bundesbank in 2016 bei 25,5674%.

Nach Ausbruch der globalen Finanzkrise in 2008 haben die Zentralbanken (FED, ECB, Bank of Japan, Bank of England, People’s Bank of China and Swiss National Bank) ihre Bilanzen durch umfangreiche Anleihenkaufprogramme von 3,5 Billionen Euro in 2008 auf 15,1 Billionen Euro 2017 aufgebläht – nach offizieller Darstellung, um die Inflationsrate in die Höhe zu treiben und der Gefahr einer Deflation entgegenzuwirken (in diesen Zahlen ist die People’s Bank auf China nicht enthalten). Allein in den ersten 5 Monaten des Kalenderjahres 2017 hat sich die Bilanzsumme der vorgenannten fünf Zentralbanken (ohne die People’s Bank of China) durch die Anleihenkaufprogramme um unglaubliche 1,5 Billionen Euro erhöht (siehe: http://n8waechter.info/2017/06/die-groessten-bad-banks-der-welt-zentralbanken/). Durch die Anleihenkaufprogramme (und die maßgebliche Beteiligung der EZB an der „Rettung“ des Euro) sind die Zentralbanken mittlerweile die größten „Bad Banks“ auf unserem Planeten.

Nun könnte man argumentieren, dass die Anleihenkaufprogramme unproblematisch sind, weil die aufgekauften Staats- und Unternehmensanleihen ja einen Gegenwert darstellen. Leider trifft das nicht oder nur in sehr begrenztem Maße zu: Kjell Nyborg, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Universität Zürich, hat die Sicherheiten untersucht, die Banken und Staaten im Rahmen des so genannten „Quantitative Easing“ bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen müssen. Nyborg war geschockt, denn viele der Wertpapiere, die die EZB als sicher einstuft, sind es in Wahrheit nicht; die EZB gibt sich mit fragwürdigen Zahlungsversprechen zufrieden. Mehr noch: Als die Eurokrise ausbrach, schraubte die Europäische Zentralbank die Anforderungen an Sicherheiten für Geldleihgeschäfte weiter herunter, um die Banken liquide zu halten. Nyborg beschloss, sich mit einem Buch an die breite Öffentlichkeit zu wenden, um sie über „Das offene Geheimnis der Zentralbanken“ zu informieren. Das Buch ist eine Anklage gegen die Euro-Zentralbanker. Der Vorwurf: Sie lassen sich vor den Karren von Banken und Staaten spannen, pumpen Geld gegen Schrott in die Welt, betreiben faktische Insolvenzverschleppung und verschleiern das alles trickreich – und zum Nachteil der Steuerzahler (siehe: http://app.wiwo.de/politik/europa/geldpolitik-die-ezb-riskiert-die-monsterinflation/19930948.html).

Auf den deutschen Steuerzahler entfallen also allein aus dem 2,3 Milliarden Euro schweren Quantitative Easing-Programm der Europäischen Zentralbank Haftungs- und Ausfallrisiken in Höhe von rund 590 Milliarden Euro. Hinzu kommen ca. 168 Milliarden Euro aus der ca. 600 Milliarden Euro schweren „Rettung“ diverser Staaten der Eurozone, die über den European Stability Mechanism (ESM) abgewickelt wurden, sowie Ausfallrisiken in Höhe von ca. 857 Milliarden Euro aus den TARGET2-Forderungen der deutschen Bundesbank (Stand: 31.05.2017). Zur Erinnerung: Die deutschen Staatsschulden liegen derzeit bei 2,14 Billionen Euro, d. h. die vorgenannten Ausfall- und Haftungsrisiken in Höhe von 1,615 Billionen Euro, die es ohne die Gemeinschaftswährung Euro nicht geben würde, könnten die deutschen Staatsschulden bei vollständigem Eintritt um 75% erhöhen – das sind rund 20.000 Euro pro Kopf eines jeden deutschen Staatsbürgers vom Baby bis zum Greis.

EXKURS ENDE

Die dargestellten Fakten sind beunruhigend, wenn nicht gar schockierend. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste globale Finanzkrise über die Welt hereinbricht und rund 10 Jahre nach Ausbruch der letzten Krise wäre es langsam wieder an der Zeit. Wenn dieses Ereignis eintritt, dann werden die Zentralbanken nicht mehr in der Lage sein, die Auswirkungen abzufangen, da insbesondere die FED und die EZB ihr Pulver bereit durch Senkung der Leitzinsen in die Nähe von Null und den weitgehenden Aufkauf der verfügbaren Staats- und Unternehmensanleihen verschossen haben. Jim Rogers ist einer der bekanntesten Hedgefondsmanager der Welt. Zusammen mit George Soros gründete er den erfolgreichen Quantum Fonds und analysiert auch heute noch die Finanzmärkte. Aus Sicht von Jim Rogers wird die nächste globale Finanzkrise ein „Once-in-a-Lifetime“-Ereignis, das alles bisher dagewesene in den Schatten stellt (siehe http://www.zerohedge.com/news/2017-06-09/jim-rogers-says-next-crisis-will-be-biggest-my-lifetime). Die Fakten in diesem Artikel und die Logik der Argumentation von Jim Rogers lassen diese Prognose nicht unwahrscheinlich erscheinen.

Nachtrag vom 05.07.2017:

In der ZEIT erschien am 05.01.2017 ein Artikel unter der Überschrift „Die Deutsche Bank sitzt auf einem Billionen-Berg komplizierter Papiere. Wie bedrohlich ist das?“ (siehe: http://www.zeit.de/2016/53/deutsche-bank-derivate-finanzmarkt-bedrohung). In dem Artikel wird am Beispiel der Deutschen Bank der Handel mit Derivaten und die daraus resultierenden Risiken erläutert. Laut der ZEIT wurde die Deutsche Bank mit einem Derivatebestand von 59,2 Billionen € in 2011 das größte Derivatehaus der Welt. Die ZEIT schreibt „Als die Welt erkannte, wer da neuer Rekordhalter war, kamen Fragen: Warum ist das Geschäft so riesig? Was machen die da? 2013 griff das Finanzportal Zerohedge.com das Thema auf, 2014 wieder, und 2015 stellte es die Frage: „Ist die Deutsche Bank das nächste Lehman?“ Viele Blogger mehrten die Zweifel. Es war dieses Raunen, das der öffentlichen Debatte dieses Jahres (2016) den Boden bereitete.“

Laut einem Bericht von Finanzen100.de vom 30.09.2014 (siehe: https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/risikofaktor-banken-die-tickende-zeitbombe-der-weltweiten-derivate_H842895196_74709/) liegt das Derivatevolumen, mit dem große Banken handeln, um Faktoren über den Vermögenswerten, die diese Banken in ihren Bilanzen ausweisen. Die US-Website Zerohedge.com hat basierend auf Berechnungen der New York Times die Größenordnungen für einige der großen Banken zusammengetragen und zwar für das Jahr 2014. Gemäß dieser Aufstellung hatte JP Morgan Chase Assets von 2,5 Billionen USD in den Büchern, während sich der Wert der gehandelten Derivate auf 67 Billionen USD belief (= Faktor 27), bei der Citibank standen 1,9 Billionen USD an Assets rund 60 Billionen USD an Derivaten gegenüber (= Faktor 32), bei Goldman Sachs lag die Relation in 2014 bei 0,9 Billionen USD Assets zu 54 Billionen USD an Derivaten (= Faktor 60) – bei der Bank of America lag der Faktor bei 25, bei Morgan Stanley bei 50 und bei der Deutschen Bank bei 75.

Der Derivatebestand der Deutschen Bank schmolz von 59,2 € in 2011 auf 46 Billionen € in 2016 ab (Hinweis: In 1995 lag der Derivatebestand der Deutschen Bank nur bei 1,2 Billionen €). Stuart Lewis, der für das Risikomanagement zuständige Vorstand der Deutschen Bank, versuchte in dem ZEIT-Artikel vom 05.01.2017 die Bedenken zu zerstreuen (ZITAT): „Schon die Zahl 46 Billionen Euro führe in die Irre, sagt Stuart Lewis. Sie spiegele nur das Volumen der Geschäfte wider, auf die sich die Derivate bezögen, nicht das Verlustrisiko der Bank. „Transportiert ein Hersteller Autos von Deutschland nach Japan, ist unser Risiko nicht der Verlust der Autos – das ist Sache der Versicherungen. Unser Risiko ist eine Veränderung des Wechselkurses von Euro und Yen in dem Zeitraum, in dem die Autos unterwegs sind.“ Zudem werde die Zahl durch Mehrfachzählungen aufgeblasen, etwa weil ein Derivat im Volumen von 100, für das kein Bedarf mehr bestehe, oft durch ein Gegengeschäft, ein Derivat in gleicher Höhe, neutralisiert werde. „Die zwei Geschäfte heben sich auf, mein Risiko ist null – auf dem Papier habe ich aber ein Volumen von 200.“ Das Volumen ist nur ein Indiz für das Ausmaß der Geschäfte. Tatsächlich betragen die Forderungen der Bank, die auf Derivate zurückgehen und deren Ausfall sie fürchten muss, 542 Milliarden Euro. Das ist dann „nur“ noch etwa ein Sechstel der Wirtschaftskraft Deutschlands – und nur ein theoretischer Maximalbetrag. Die Bank geht Geschäfte in alle Richtungen ein und kann im Notfall viele eigene Zahlungsverpflichtungen gegenrechnen, was ihr Ausfallrisiko deutlich reduziert. Zudem stellen etliche Kunden Sicherheiten, diese lassen das Risiko weiter sinken. Am Ende, so die Bank, bleiben 36 Milliarden Euro, die sie wirklich verlieren kann.“ (ZITAT ENDE)

Das alles klingt sachlich und rational und man sollte eigentlich davon ausgehen, dass im Risikomanagement von Großbanken keine Kamikaze-Piloten sitzen. Allerdings galt diese Vermutung bis zum 14.08.2008 auch für die Investmentbank Lehman Brothers, die an jenem Tag zusammenbrach, nachdem sie sich 30mal mehr Kapital geliehen hatte, als sie als Reserve vorhielt. Aufgrund unvorhergesehener Marktbewegungen und der Hebelwirkung der Derivate zehrte schon ein verhältnismäßig geringer Verlust von nur 3% die Reserven (d. h. das Eigenkapital) von Lehman Brothers völlig auf, so dass die Investmentbank zusammenbrach und vollkommen ruiniert war.

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