Die Bedeutung der Informationstechnik (IT) für den Erfolg von Unternehmen ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Im Zeitalter der Daten- und Plattformökonomie ist die Informationstechnik zu einem unverzichtbaren, integralen Hebel geworden, welcher den klassischen Produktionsfaktoren, wie Naturkapital (Grund und Boden, Rohstoffe, Energie, …), Humankapital (Arbeit, Bildung, …) und Sachkapital (Gebäude, Maschinen, Werkzeuge, …) zunehmend den Rang abläuft. Das bekannte Zitat „Daten sind das neue Öl“ aus dem Jahr 2009, welches der ehemaligen bulgarischen EU-Kommissarin Meglana Kunewa zugeschrieben wird, und ein viel beachtetes Essay des Netscape-Gründers Marc Andreessen im Wall Street Journal vom 20.08.2011 unter der Überschrift „Why Software is eating the world“ unterstreichen diese Entwicklung.
Dabei ist die Informationstechnik, die früher einmal Datenverarbeitung (DV) hieß, eine vergleichsweise junge Entwicklung. Ihre praktischen Anfänge liegen in den 1940er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Wissenschaftler die erste Generation von Computern entwickelten. Diese funktionierten noch halb-mechanisch und verwendeten elektromagnetische Relais für die Schaltungen. In der zweiten Generation ein Jahrzehnt später wurden die Computer elektrisch, indem erst Röhren und später Transistoren die Relais ersetzten. Dadurch ließen sich deutlich schnellere und zugleich kleinere Rechner bauen. In den 1960er Jahren folgte mit den Mikroprozessoren der nächste Verkleinerungsschritt. Digital Equipment Corporation – kurz DEC – baut 1960 mit dem PDP-1 den ersten Minicomputer. Der war zwar immer noch so groß wie zwei Kühlschränke, aber im Vergleich zur Konkurrenz deutlich einfacher zu bedienen. Im Jahr 1964 brachte Rivale IBM dann das Computer System/360 auf den Markt und legte damit den Grundstein für die Ära der Großrechner. Die vierte Generation waren die so genannten Microcomputer in den 1970er Jahren, gefolgt von den Personal Computern in den 1980ern und 1990ern. Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre wurden die Computer dann mobil: 2007 stellte Apple das erste iPhone vor, gefolgt vom iPad in 2010. Auf Computerhistory.org findet man eine sehr gute „Timeline of Computer History„, die von Bitrebels.com zu einer anschaulichen Infografik unter dem Titel „Computers – a chronological Timeline“ zusammengefasst wurde.
Die Anforderungen an die Informationstechnik sind im Laufe der Jahrzehnte immer vielfältiger und umfangreicher geworden. Sie soll selbstverständlich funktionsfähig und wirtschaftlich sein, darüber hinaus benutzerfreundlich und zukunftssicher, auch Sicherheit und Regelkonformität (auf Neuhochdeutsch „Compliance“) müssen gewährleistet sein und mit zunehmender Dynamik des Geschäfts wächst auch der Ruf nach agilen und flexiblen Lösungen, die sich schnell und einfach an veränderte Anforderungen anpassen lassen. Die folgende Grafik illustriert die wesentlichen Auswahlkriterien für IT-Lösungen aus meinem gleichnamigen Blog vom 27.04.2017:
Dass diese Vielzahl von zum Teil widersprüchlichen Anforderungen nur schwer unter einen Hut zu bringen ist, erschließt sich selbst dem Laien auf den ersten Blick. Und dies führt dazu, dass in der Praxis beim Einsatz der IT in den Unternehmen immer wieder zum Teil schmerzhafte Kompromisse gemacht werden müssen, z. B. indem die Funktionalität und Unterstützung der Geschäftsprozesse eingeschränkt wird, um Anforderungen von Compliance, Informationssicherheit und Datenschutz gerecht werden zu können. Wenn diese Zusammenhänge nicht angemessen an die Anwender kommuniziert werden, sind letztere natürlich unzufrieden und bauen sich Ausweichlösungen (wie die berühmte Excel-Wirtschaft mit selbstprogrammierten Makros) oder suchen sich Alternativen z. B. in Form von Schatten-IT-Systemen.
Die wesentliche Aufgabe der Informationstechnik im Unternehmen
Es lohnt sich an dieser Stelle, sich Gedanken darüber zu machen, was die wesentlichen Gründe für den Einsatz der Informationstechnik in Unternehmen sind. Es gibt natürlich vielfältige Motive zur Gründung bzw. Führung von Unternehmen: Manche Unternehmer wollen einfach nur ihre Existenz sichern oder ihren Wohlstand mehren, andere handeln aus altruistischen Motiven und wollen die Welt mit ihren Produkten und Lösungen verbessern oder ihren Arbeitnehmern gute, sichere Arbeitsplätze bieten. Egal, welche Motive der Unternehmer verfolgt: Am Ende des Tages muss sein Unternehmen mittel- bis langfristig Gewinne erzielen, um seine Existenz langfristig sichern zu können (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Der wichtigste Grund für den Einsatz der Informationstechnik besteht deshalb darin, eine effektive und effiziente Steuerung des Unternehmens zu ermöglichen, durch die sichergestellt wird, dass das Unternehmen in seiner Gesamtheit profitabel arbeitetet und Ressourcen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie die größten Wertschöpfung für das gesamte Unternehmen bringen. Der zweitwichtigste Grund besteht dann darin, die Mitarbeiter und Geschäftsprozesse des Unternehmens so gut wie möglich bei ihrer Arbeit zu unterstützen, z. B. indem aufwändige und fehleranfällige manuelle Tätigkeiten (Produktion, Kundenservice, Controlling) automatisiert und dadurch effizienter und wirtschaftlicher gestaltet werden.
Informationstechnik ist die Technik zur Verarbeitung von Informationen. Leider wird der Aspekt der Technik häufig überbetont, was dazu führt, dass der viel wichtigere Aspekt der Verarbeitung von Informationen nicht angemessen beachtet und verfolgt wird. Wenn die Informationstechnik jedoch Mehrwert für das gesamte Unternehmen generieren soll, dann muss sie sich auf die Verarbeitung und adressatengerechte Bereitstellung der wesentlichen Informationen konzentrieren, die für eine effektive und effiziente Steuerung des Unternehmens erfolgskritisch sind.
Ich kann mir vorstellen, dass einige von Ihnen an dieser Stelle schlucken und spontan widersprechen möchten, denn schließlich erwirtschaftet ja ein Unternehmen vor allem dann Gewinne, wenn es gute Produkte oder Lösungen entwickelt bzw. fertigt und seinen Kunden einen hervorragenden Service bietet. Ist also der Einsatz der Informationstechnik in der Entwicklung und Fertigung oder im Kundenservice nicht wichtiger? Dort wird doch das Geld verdient?!
Ich habe großes Verständnis und Sympathie für diese Sichtweise, möchte aber erstens zu Bedenken geben, dass unternehmerische Fehlentscheidungen auf Ebene der Unternehmensleitung in der Regel eine größere Tragweite haben, als operative Mängel in untergeordneten Business Units oder Leistungsprozessen des Unternehmens.
Zweitens verändert die Plattformökonomie derzeit die Spielregeln der globalen Wirtschaft. Apple verdient mit dem Verkauf von Musik und Filmen Milliarden, ohne diese Musik und Filme selbst zu produzieren. Die gleiche Logik gilt für Google, Facebook, Amazon, Uber oder Airbnb. Die Inhalte (Musik, Filme, Blogs, Postings, Fotos), die Waren, die Fahrzeuge oder die Wohnungen werden nicht mehr von diesen Unternehmen selbst bereitgestellt, sondern von Dritten. Plattformunternehmen sind die Spinnen im Netz, die dafür sorgen, dass Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden. Eine umfangreiche Einführung in „Digitale Geschäftsmodelle und Plattformökonomie“ finden Sie in meinem gleichnamigen Blog vom 06.09.2017, aus dem die folgende Grafik stammt.
Drittens wird sich die Datenflut in Zukunft weiter erhöhen: Ob Mensch, Smartphone, Haushaltsgerät, Wohnung, Auto oder Industriesensor: Sie alle produzieren ständig Daten. In einer Welt, in der bald jeder Kühlschrank Internetzugang haben wird, wachsen die Datenberge in schwindelerregende Höhen. „Big Data Analytics“ und der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ (einschließlich „Machine Learning“ und „Deep Learning“) soll die Unternehmen in die Lage versetzen, aus der Datenflut diejenigen Informationen herauszufiltern, die für den Unternehmenserfolg von Bedeutung sind. D. h. zusätzlich zu den Daten, die im Rahmen der internen Geschäftsprozesse bislang gesammelt wurden, z. B. Stammdaten zu Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern oder Produkten/Lösungen, kommen nun noch Bewegungsdaten hinzu, die bei Betrieb oder Nutzung der Produkte/Lösungen außerhalb der Fabrik/Betriebsstätte anfallen einschließlich derjenigen Daten, die dem Unternehmen Rückschlüsse auf das zukünftige Verhalten der Nutzer ermöglichen. Man muss eigentlich nicht erwähnen, dass damit einhergehenden Herausforderungen und Veränderungen sowohl technologischer, als auch kultureller und intellektueller Art gewaltig sind. Um ein Grundverständnis zur Entwicklung, Bedeutung und Möglichkeiten dieses so genannten „Internet of Things“ (in Kombination mit „Big Data Analytics“ und „Künstlicher Intelligenz“) zu entwickeln, empfehle ich folgendes, sehr lesenswertes Interview mit dem „Tech-Guru“ Kevin Ashton aus der FAZ vom 08.10.2017 unter der Überschrift „Tech-Pionier Ashton: 2050 werden wir nicht mehr selbst Auto fahren dürfen„.
Viertens müssen Unternehmen selbstverständlich Gesetze und Vorschriften oder branchenspezifische Regulierungsvorgaben beachten. Dies trifft in besonderen Maße z. B. auf Banken oder Unternehmen des Gesundheitswesens zu. Die am 28.05.2018 in Kraft getretene EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) betrifft alle Unternehmen, die personenbezogene Daten verarbeiten – Details dazu finden Sie in meinem Blog „Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verständlich: Was die neuen EU-Regeln für die Bürger bedeuten“ vom 04.05.2018. Und auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) bzw. aus den International Financial Reporting Standards (IFRS) sind selbstverständlich zu beachten, um eine korrekte Gewinnermittlung und Besteuerung zu ermöglichen. Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme, wie z. B. SAP, haben dabei in vielen Unternehmen eine zentrale Bedeutung. Die Verletzung solcher nationalen und internationalen Gesetze, Vorschriften und Regulierungsvorgaben kann (insbesondere in den USA) zum Teil empfindliche Strafen und Bußgelder nach sich ziehen – Unternehmen wie Siemens, Volkswagen oder die Deutsche Bank können ein Lied davon singen.
Die vorgenannten vier Gründe (übergeordnete Gesamtinteressen, Plattformökonomie, Internet of Things, Governance&Compliance) sollten eigentlich verdeutlichen, warum es unabdingbar ist, der Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen zur effektiven und effizienten Steuerung des gesamten Unternehmens einen zentralen Stellenwert beizumessen.
Aus dieser Perspektive wird auch schlagartig klar, warum historisch gewachsene, heterogene, fragmentierte IT-Landschaften mit verteilen Datensilos gespeichert in Datenbanken und IT-Insellösungen, die durch Schnittstellen miteinander verbunden sind, für Unternehmen ein erhebliches Risiko darstellen. Ohne einen „Single Point of Truth“ kann die Qualität der heterogenen, fragmentierten Daten in den Datensilos gar nicht oder nur schwer beurteilt werden, was wiederum eine effektive Steuerung des Unternehmens erschwert. Ausführlichere Informationen zu dieser Herausforderung finden Sie in meinem Blog „Woran ERP-Projekte wirklich scheitern“ vom 08.02.2018.
KURZER EXKURS
Die Informationstechnik kann und muss wesentlich dazu beitragen, dass Gesetze, Vorschriften und Regulierungsvorgaben bei der Bearbeitung von Geschäftsvorfällen (u. a. Angebote, Aufträge und Verträge) eingehalten und eventuelle Abweichungen rechtzeitig erkannt und korrigiert werden. Dies ist logischerweise umso einfacher, je weniger heterogen und fragmentiert eine IT-Landschaft ist und je weniger Lücken (fehlende IT-Unterstützung), Redundanzen (doppelte Ausgaben) und Abhängigkeiten (Komplexität) in dieser IT-Landschaft existieren. Die folgende Grafik illustriert einen so genannten IT-Bebauungsplan und stammt aus meinem Blog „Die ultimative Leseliste für Chief Information Officer“ vom 18.05.2018:
IT-Bebauungspläne und IT-Verfahrensbeschreibungen (die zur Dokumentation der in den IT-Systemen vorgehaltenen Daten sowie den Schnittstellen zu anderen IT-Systemen dienen), sind eine unabdingbare Voraussetzung, um die Migration von Legacy-IT-Systemen sowie deren Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Kunden bzw. Lieferanten systematisch und sorgfältig planen zu können. Eine wirklich ausgezeichnete Antwort auf die Frage, warum Ihr Unternehmen eine Enterprise (IT) Architektur mit Standard IT Architecture Building Blocks (ABB) benötigt, finden Sie in diesem rund vierminütigen YouTube-Video: https://youtu.be/qDI2oF1bASk.
EXKURS ENDE
Die Funktion der Informationstechnik: Wegbereiter oder Zwangsjacke?
Der Siegeszug der Informationstechnik wäre ohne ihren signifikanten Nutzen nicht möglich gewesen. Interessanterweise werden IT-Systeme in vielen Unternehmen häufig als Hemmschuh oder gar Ärgernis wahrgenommen. Ich kenne wenige IT-Abteilungen, die in ihren Unternehmen einen wirklich guten Ruf genießen und der alte schwäbische Grundsatz „Net getadelt is a scho g’lobt“ dürfte den meisten IT-Verantwortlichen aus ihrer beruflichen Praxis gut bekannt sein.
Dieses schlechte Image ist bedauerlich und kontraproduktiv, wenn man sich vor Augen führt, welche Potenziale in der Informationstechnik für das Unternehmen und seine Geschäftsentwicklung stecken. Nicht zuletzt durch den intelligenten Einsatz von Informationstechnik konnten die oben bereits erwähnten Plattformunternehmen schwindelerregende Marktkapitalisierungen erreichen. Unter den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt befanden sich am 27.12.2017 sieben Plattformunternehmen, wie die folgende Grafik illustriert. Die Marktkapitalisierung von Apple hat im August 2018 die Schallgrenze von 1,0 Billion US-Dollar erreicht. Die Marktkapitalisierung von Uber, einem Unternehmen, das Online-Vermittlungsdienste für Personenbeförderung anbietet, liegt bei 65 Milliarden US-Dollar – das ist ungefähr so viel, wie der kombinierte Börsenwert von Deutscher Bank, E.ON und Heidelberger Cement (per 24.08.2018).
Es liegt in der Natur der Sache, dass die IT-Landschaften von Traditionsunternehmen, die über Jahrzehnte gewachsen sind und sich nicht selten durch Zukäufe, Fusionen oder Abspaltungen verändert haben, mit der Zeit immer umfangreicher und komplexer werden. Spätestens dann, wenn kleine, agile Wettberber in den Markt eindringen, die frei von Altlasten in der Lage sind, schnell und flexibel zu agieren, werden die Schwächen der Platzhirsche gnadenlos offengelegt. Lassen Sie es am besten gar nicht erst so weit kommen.
Wichtig ist, dass Geschäfts- und IT-Verantwortliche gemeinsam und abgestimmt innovative, digitalisierte Geschäftsmodelle und korrespondierende IT-Architekturen entwickeln, die das Geschäftspotenzial (aber auch die Anforderungen) datengetriebener Dienste und Plattformen adäquat berücksichtigen. Dazu gehören auch Vereinbarungen, wie mit den IT-Landschaften zugekaufter Unternehmenseinheiten verfahren werden soll.
Im Hinblick auf den angemessenen Schutz des geistigen Eigentums und der personenbezogenen Daten des Unternehmens ist zu entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang IT-Outsourcing Services-Dienstleister bzw. Cloud-basierte As-a-Service-Delivery Modelle genutzt werden sollen. Die kurzfristigen Kosteneinsparungen mögen verlockend sein, der Know-how-Abfluss könnte langfristig jedoch schwerer wiegen. Und bedenken Sie bitte: Wer die Kontrolle über die Daten hat, hat die Kontrolle über das Geschäft. Risiken drohen dabei übrigens nicht nur durch Wettbewerber oder kriminelle Hacker, sondern auch durch staatliche Überwachung bzw. Wirtschaftsspionage, wie Sie in meinem Blog „Wie die US-Regierung die US-amerikanische IT-Industrie diskreditiert“ vom 08.03.2017 nachlesen können.
Ich persönlich halte die Standardisierung und Konsolidierung heterogener, fragmentierter IT-Landschaften mit verteilten Datensilos für unabdingbar, um Unternehmen mittel- bis langfristig in die Lage zu versetzen, in der Daten- und Plattformökonomie erfolgreich zu sein und eine attraktive „Customer Journey“ zu entwickeln, möchte aber fairerweise darauf hinweisen, dass es diesbezüglich auch andere Expertenmeinungen gibt. Insbesondere in großen Konzernen sind Standardisierungs- und Konsolidierungsprogramme für IT-Systeme unpopulär, weil sie Ressourcen (Geld, Kapital, Management Attention) binden und sich vorübergehend negativ auf das Geschäft auswirken können.
Letztlich kann und muss die Frage, ob und in welchem Umfang ein solches Standardisierung- und Konsolidierungsprogramm sinnvoll ist, individuell unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens beantwortet werden. Eine Finanzholding, bei der auf oberster Ebene „nur“ Finanzdaten konsolidiert und berichtet werden, erfordert logischerweise einen geringeren horizontalen Vernetzungsgrad als ein integrierter Konzern, der Mehrwert aus der intensiven Zusammenarbeit verschiedener Unternehmenseinheiten generieren will. Es gilt der alte Lehrsatz des US-amerikanischen Wirtschaftshistorikers Alfred Chandler „Structure follows Strategy“ bzw. dessen Weiterentwicklung „Structure follows Process follows Strategy“.
Grundsätzlich kann die Transformation des Unternehmens hin zu digitalisierten Geschäftsmodellen und der Daten- und Plattformökonomie nur gelingen, wenn das Unternehmen einen Paradigmenwechsel und Kulturwandel vollzieht. Weiterführende Informationen dazu finden Sie in meinem Blog „Wie man eine Unternehmenskultur nachhaltig verändern kann“ vom 27.05.2017 sowie in der folgenden Grafik:
Informationstechnik kann ein äußerst effektiver Befähiger bzw. Wegbereiter für innovative, digitalisierte Geschäftsmodelle sein. Informationstechnik kann aber auch eine Zwangsjacke sein, mit der man bewusst – z. B. in einem stark regulierten Geschäftsumfeld – dafür sorgt, dass Geschäftsvorfälle gesetzes- und regelkonform abgewickelt werden bzw. dass Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt werden. Die Kunst der Fuge besteht darin, beide Aspekte gut auszubalancieren und die Erwartungshaltung der Nutzer offen, ehrlich und proaktiv zu managen.
Jedem ist wohl bewusst, dass ein Anzug von der Stange in der Regel nicht so gut sitzt, wie ein Maßanzug und es wäre vermessen, eine entsprechende Erwartungshaltung zu wecken. Eierlegende Wollmilchsäue, die versuchen alle möglichen Anforderungen abzudecken, sind erfahrungsgemäß komplex und teuer. Da das Gesamtinteresse des Unternehmens Vorrang vor den Partikularinteressen seiner Unternehmenseinheiten haben sollte, kann es durchaus sinnvoll sein, eine Unternehmenseinheit in einen Anzug von der Stange zu zwängen. Wenn dieser Fall eintritt, sollten die Auswirkungen (Vor- und Nachteile) entsprechend transparent kommuniziert werden.
Der frühere Entwicklungsvorstand von SAP, Dr. Peter Zencke, sagte vor einigen Jahren in einem Gespräch den klugen Satz „Die Datenbank (des ERP-Systems) macht Schwachstellen in den Prozessen des Unternehmens gnadenlos sichtbar“. Klug ist dieser Satz deshalb, weil so genannte „IT-Probleme“ häufig gar keine IT-Probleme sind, sondern aus Bedienungsfehlern, unzureichender Datenqualität oder Mängeln in der Ablauforganisation (wie z. B. unklare Zuständigkeiten) resultieren. Daher ist es wichtig, das Incident Management nicht als notwendiges Übel zu begreifen, sondern als Chance, um durch kontinuierliche Verbesserung Schwachstellen im Unternehmen systematisch zu erkennen und zu beheben.
Im Zeitalter der Digitalisierung müssen Geschäftsverantwortliche ihr Verständnis und ihre Fähigkeiten zum effektiven Umgang mit innovativer Informations- und Kommunikationstechnologie systematisch und gezielt erweitern, da sich die intelligente Nutzung von Technologie und Daten zunehmend zum integralen Bestandteil des Geschäfts oder sogar zum wesentlichen kritischen Erfolgsfaktor für das Unternehmen entwickelt. Wer seine IT ausschließlich als Kostenfaktor betrachtet und seinen CIO bzw. IT-Leiter primär an der Erreichung von Kostenzielen misst, sollte sich nicht wundern, wenn die IT-Funktion eher übersichtliche Wertschöpfungsbeiträge hinsichtlich innovativer Geschäftsmodelle liefert.
Sollte Ihr Unternehmen bislang noch nicht über grundlegende Instrumente, wie IT-Bebauungsplan, IT-Architektur, IT-Strategie, IT-Portfoliomanagement oder IT-Datenmanagement (sowie über entsprechende Prozesse zur laufenden Aktualisierung) verfügen, dann wäre es sinnvoll, wenn Sie diese Instrumente zügig implementieren – am besten im Rahmen einer konzertierten Aktion, bei der Business Units und IT integriert und aufeinander abgestimmt zusammenarbeiten.
Schließlich sollten Sie die IT-Funktion in Ihrem Unternehmen so positionieren, dass sie die Chance hat, Einfluss auf die Entwicklung des Geschäfts zu nehmen und die Rolle der Informationstechnik als Wegbereiter für Innovationen effektiv wahrzunehmen. Die Nominierung eines Chief Digitalization Officers (CDO) als öffentlichkeitswirksames Aushängeschild mit Alibi-Charakter bringt wenig, wenn sich im Rest des Unternehmens nichts ändert. Die digitale Transformation eines Unternehmens ist wie eine Schwangerschaft: Entweder Sie sind schwanger oder Sie sind es nicht.
Bei Beachtung dieser Grundsätze wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Quadratur des Kreises gelingt.
Für konstruktive Kommentare und Verbesserungsvorschläge zu diesem Blog bin ich, wie immer, jederzeit dankbar.
Eine Übersicht mit meinen wichtigsten Blogs der vergangenen 2 bis 3 Jahre finden Sie in meinem Blog „Die ultimative Leseliste für Chief Information Officer“ vom 18.05.2018: https://kubraconsult.blog/2018/05/18/die-ultimative-leseliste-fuer-chief-information-officer/.
3 Kommentare zu „Geschäftsorientierte IT – die Quadratur des Kreises?“