Es gibt zwei Arten von Menschen, die inkompatibel zueinander sind: Regelmacher und Regelbrecher. Die Regelmacher lieben Ordnung, Strukturen und reibungslose Abläufe. Häufig wollen sie Systeme, Organisation, Staaten oder am besten gleich die ganze Welt mit ihren Regeln verbessern. Dass sie damit die persönliche Freiheit des Individuums beschränken und teilweise beträchtliche Seiteneffekte verursachen, nehmen sie in Kauf bzw. ignorieren sie geflissentlich. Die Regelbrecher interessieren sich hauptsächlich für ihren eigenen Vorteil und ihre eigene Bequemlichkeit. Sie sind immer auf der Suche nach einer Abkürzung, die ihnen einen Glücksmoment verschafft, schneller, bequemer, billiger oder aufwandsärmer durchs Leben zu kommen. Der Slogan „Geiz ist geil“ wurde mit Sicherheit durch einen Regelbrecher erfunden.

Überlagert und verstärkt werden diese gegensätzlichen Interessen von ideologischen Motiven, die sowohl Regelmacher, als auch Regelbrecher antreiben. Denken Sie an Tempolimit auf deutschen Autobahnen, umweltfreundliche Mobilitätskonzepte (ÖPNV, Shared Mobility), Elektromobilität, vegane Ernährung vs. Fleischeslust, Impf- und/oder Maskenpflicht, Gendersprache, Geschlechtervielfalt, Atomenergie oder andere gesellschaftliche Grundsatzfragen, bei denen es niemals einen breiten gesellschaftlichen Konsens geben wird, weil die Meinungen dazu durch unterschiedliche Werte und Ideologien (manchmal euphemistisch verbrämt als „Zeitgeist“) beeinflusst oder gesteuert werden.

Die menschliche Unfähigkeit, Anweisungen zu befolgen, ist atemberaubend. Das hat auch damit zu tun, dass es (mindestens) neun Voraussetzungen gibt, die gemeinsam eintreten müssen, wenn sich menschliches Verhalten verändern soll:

  1. Ein Mensch muss wissen, was von ihm erwartet wird.
  2. Ein Mensch muss verstehen, was von ihm erwartet wird.
  3. Ein Mensch muss akzeptieren, was von ihm erwartet wird.
  4. Ein Mensch muss daran glauben, dass das, was von ihm erwartet wird, sinnvoll und machbar ist.
  5. Ein Mensch muss in der Lage sein, das, was von ihm erwartet wird, umzusetzen (Stichwort: Fähigkeiten/Erfahrungen, aber auch Ressourcen: Zeit/Geld).
  6. Ein Mensch muss die Veränderung selbst wollen (was zumeist der Fall ist, wenn sie mit seinen persönlichen Bedürfnissen in Einklang steht).
  7. Ein Mensch muss die Erlaubnis (von Eltern, Vorgesetzten oder seiner sozialen Gruppe) haben, sich zu verändern.
  8. Ein Mensch muss ermutigt werden, wenn er im Zuge des Veränderungsprozesses auf Schwierigkeiten trifft.
  9. Ein Mensch benötigt Unterstützung von anderen, um den Veränderungsprozess zu vollenden.

Nur dann, wenn alle neun Voraussetzungen gemeinsam eintreten, kann sich eine Veränderung vollziehen. Grafisch dargestellt schaut das wie folgt aus:

Punkt 2, also das Verstehen, ist dabei eine der größten Hürden. Menschen werden in den ersten Lebensjahren sehr unterschiedlich sozialisiert und geprägt und entwickeln dadurch sehr unterschiedliche Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster, die ihnen zum Teil gar nicht bewusst sind, weil diese Muster im Unterbewusstsein wirken.

Social Media-Plattformen bieten dazu reichhaltiges Anschauungsmaterial, denn sie zeigen tagtäglich millionenfach, wie unterschiedlich verschiedene Menschen identische Postings oder Kommentare verstehen (wollen).

Ein achteinhalbminütiges YouTube-Video unter dem Titel „The better boarding method airlines won’t use“ illustriert auf humorvolle Art und Weise, warum die Menschheit bereits an einfachen Aufgabenstellungen scheitert, wie Passagiere schnell und reibungslos in ein Flugzeug hinein- bzw. aus einem Flugzeug herauszubekommen: https://youtu.be/oAHbLRjF0vo.

Wenn die Menschheit noch nicht einmal in der Lage ist, solch einfache und überschaubar Probleme zu lösen, wie soll sie dann den Klimawandel in den Griff bekommen? (rhetorische Frage)

Wem dieses Beispiel zu profan ist, dem empfehle ich einen Ausflug in die sogenannte „Spieltheorie“, die wissenschaftlich erläutert, warum Dinge, von denen alle was haben, um die sich aber auch alle kümmern müssen, meist rücksichtslos behandelt werden. Die Gründe hat Mai Thi Nguyen-Kim anhand der Spieltheorie am 19.06.2019 in einem rund fünfzehnminütigen YouTube-Video erläutert: https://youtu.be/IIpbgWyPsWQ.

Das oben beschriebene Modell mit den neun Voraussetzungen für Veränderungen erklärt auch, warum man Veränderung nicht durch Druck oder Panikmache erzwingen kann, denn dies führt zu Gegenreaktionen, die die „Akzeptanz“ (Punkt 3) und das „Wollen“ (Punkt 6) reduzieren. Als „Reaktanz“ wird in der Psychologie die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume bezeichnet. Reaktanz wird in der Regel durch psychischen Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheitsspielräumen (z. B. Verbote, Zensur) ausgelöst. Als Reaktanz im eigentlichen Sinne bezeichnet man dabei nicht das ausgelöste Verhalten, sondern die zugrunde liegende Motivation oder Einstellung.

Voraussetzungen für das Entstehen von Reaktanz sind:

  • die Vorstellung zu besitzen, über einen Freiheitsspielraum zu verfügen
  • diesen Freiheitsspielraum für einigermaßen wichtig zu halten
  • eine Bedrohung oder Eliminierung dieses Freiheitsspielraumes wahrzunehmen.

Reaktanz liegt typischerweise dem „Reiz des Verbotenen“ zu Grunde. Sie ähnelt dem Trotz, der jedoch auch aus anderen Gründen als der Beschneidung von Freiheit auftreten kann.

Last but not least lässt sich auf größere soziale Gruppen die Gaußsche Normalverteilung anwenden. Sie ist als eine Art „Schweizer Taschenmesser“ die wichtigste Verteilungsfunktion der Statistik und wird sowohl in Naturwissenschaften als auch in Geistes- und Wirtschaftswissenschaften bei statistischen Auswertungen für Gruppen verwendet, wenn aufgrund unzureichender Datenlage die tatsächliche Verteilungsfunktion unbekannt ist. Beispiel: Intelligenz, Körpergröße (eines einzigen Geschlechts), sogar Sozialkompetenz: all diese Werte sind normalverteilt.

So sind die meisten Menschen durchschnittlich groß und nur sehr wenige sehr groß oder sehr klein. Sogar Einkommen wird normalverteilt, wenn man die Daten vorher logarithmiert. Nach der Gaußschen Normalverteilung gibt es am rechten und linken Rand jeder größeren sozialen Gruppe je ca. 16,5 % Menschen mit extremen Ansichten oder extremem Verhalten, während die Mitte von ca. 67 % mehr oder weniger unauffälligen „Normalos“ gebildet wird (siehe Grafik). Wirft man einen Blick in Facebook oder Twitter, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass die Relationen umgekehrt sind, dass es also 67 % Bekloppte und nur 33 % Normalos gibt. Aber das ist ein anderes Thema …

Am Ende des Tages ist es alles eine Frage der Prioritäten – im kleinen persönlichen Bereich, wie auch in der großen Politik. Keine Zeit oder kein Geld heißt nichts anderes als: Etwas anderes ist wichtiger:

Ergänzende Lektüre:

▶︎ „The basics of change“ vom 28.08.2018: https://kubraconsult.blog/2018/08/28/basic-prerequisites-for-effective-change/

▶︎ „Die Dinge des Lebens“ vom 09.02.2021: https://kubraconsult.blog/2021/02/09/die-dinge-des-lebens/

▶︎  „Googeln Sie noch oder leben Sie schon?“ vom 16.02.2021: https://kubraconsult.blog/2021/02/16/googeln-sie-noch-oder-leben-sie-schon/

▶︎ „Von Menschen, Viren und Parasiten“ vom 01.03.2021: https://kubraconsult.blog/2021/03/01/von-menschen-viren-und-parasiten/

▶︎ „Kontrolle über Daten ist Kontrolle über Menschen“ vom 14.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/14/kontrolle-uber-daten-ist-kontrolle-uber-menschen/

▶︎ „Algorithmen, digitale Plattformen und andere unbekannte Wesen“ vom 11.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/11/algorithmen-digitale-plattformen-und-andere-unbekannte-wesen/

▶︎ „George Orwell war eine Warnung und keine Bedienungsanleitung“ vom 14.03.2017: https://kubraconsult.blog/2020/01/13/george-orwells-1984-war-eine-warnung-und-keine-bedienungsanleitung/

▶︎ „Warum uns Werbung und soziale Medien unglücklich machen“ vom 06.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/06/warum-uns-werbung-und-soziale-medien-ungluecklich-machen/

▶︎ „Der Einfluss sozialer Medien auf die Spaltung der Gesellschaft“ vom 13.09.2018: https://kubraconsult.blog/2018/09/13/der-einfluss-der-informationsgesellschaft-auf-die-spaltung-der-gesellschaft/

2 Kommentare zu „Warum die menschliche Unfähigkeit, Anweisungen zu befolgen, atemberaubend ist

  1. Sehr geehrter Herr Brand.

    1 Der Mensch muss durch sich selbst zur Einsicht kommen.
    2 Der Mensch muss verstehen, das was die Seele im Traum zu ihm sagt.
    3 Der Mensch muss sich in all seinen Widersprüchen, als das was er ist, sich annehmen können.
    4 Der Mensch muss an nichts glauben, er muss seiner inneren Stimme vertrauen.
    5 Der Mensch muss der Bestimmung der Seele folgen, ihr Gehorsam leisten. Nicht das, was von aussen an ihn getragen und erwartet wird. Die Seele der Geist ist im Menschen selbst. Der Mensch ist Zeit, das Geld ist Ding, das den Austausch leichter macht.
    6 Der Mensch ist den Veränderung, von innen und aussen ausgesetzt. Das Gleichgewicht, im Umfeld und der Innenwelt, ist die tagtäglich Arbeit des Menschen an sich selbst.
    7 Der Mensch muss sich mit seiner Eigenart, von seinen Eltern und Vorgesetzten, oder einer Gemeinschaft, die seinem eigentlichen nicht Wesen entspricht, absetzen können; um trotzdem die sozialen Pflichten zu erfüllen.
    8 Der Mensch muss Demut üben; denn, die Welt dreht sich seit Urzeiten auch ohne sein Dasein. In der Wirklichkeit der Innenwelt, zu den Verstrickungen der Nabelschnur zur Aussenwelt; wenn der Mensch durch Veränderungen, auf seine eigenen Schwierigkeiten und Probleme trifft.
    9 Der Mensch lebt in Zeit, in seiner kurzen Zeit. Das Ziel des Menschen ist der Tod. Wir werden alle, so oder so, unser Ende finden.

    Freundliche Grüße
    Hans Gamma

  2. Sehr geehrter Herr Brand.

    Der Mensch
    Der Mensch muss durch sich selbst zur Einsicht kommen.
    Der Mensch muss verstehen, das was die Seele im Traum zu ihm sagt.
    Der Mensch muss sich in all seinen Widersprüchen, als das was er ist, sich annehmen können.
    Der Mensch muss an nichts glauben, er muss seiner inneren Stimme vertrauen.
    Der Mensch muss der Bestimmung der Seele folgen, ihr Gehorsam leisten. Nicht das, was von aussen an ihn getragen und erwartet wird. Die Seele der Geist ist im Menschen selbst. Der Mensch ist Zeit, das Geld ist Ding, das den Austausch leichter macht.
    Der Mensch ist den Veränderung, von innen und aussen ausgesetzt. Das Gleichgewicht, im Umfeld und der Innenwelt, ist die tagtäglich Arbeit des Menschen an sich selbst.
    Der Mensch muss sich mit seiner Eigenart, von seinen Eltern und Vorgesetzten, oder einer Gemeinschaft, die seinem eigentlichen nicht Wesen entspricht, absetzen können; um trotzdem die sozialen Pflichten zu erfüllen.
    Der Mensch muss Demut üben; denn, die Welt dreht sich seit Urzeiten auch ohne sein Dasein. In der Wirklichkeit der Innenwelt, zu den Verstrickungen der Nabelschnur zur Aussenwelt; wenn der Mensch durch Veränderungen, auf seine eigenen Schwierigkeiten und Probleme trifft.
    Der Mensch lebt in Zeit, in seiner kurzen Zeit. Das Ziel des Menschen ist der Tod. Wir werden alle, so oder so, unser Ende finden.

    Freundliche Grüße
    Hans Gamma

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