Im Zuge der Regierungsbildung nach den Bundestagswahlen vom 24.09.2017 haben verschiedene Interessengruppen die CDU/CSU und SPD dafür kritisiert, dass in den GroKo-Verhandlungen im Januar/Februar 2018 kein „Digitalministerium“ vereinbart wurde, um die Digitalisierung bzw. die digitale Transformation Deutschlands besser zu koordinieren und mit größerem Nachdruck voranzutreiben. Mittlerweile gibt es sogar eine Petition zu dieser Forderung – siehe: https://digitalministerium.org.

Ich habe diese Kritik zum Anlass genommen, ein High-Level-Konzept zu entwickeln, das veranschaulicht, wie die digitale Transformation eines Landes in der Ära der Digitalisierung und Globalisierung, wo Geschwindigkeit und Agilität entscheidend sind, effektiv organisiert werden kann und welche wesentlichen Inhalte in der Digitalisierungsstrategie eines Landes berücksichtigt werden sollten.

Inhaltlich mangelt es Deutschland auf jeden Fall nicht an Agenden und Programmen rund um das Thema „Digitalisierung“, wie die folgende Übersicht zeigt (wiewohl diese Agenden und Programme zum Teil schon etwas älteren Datums sind):

Die vorgenannten Beispiele sind insofern gut, als dass sie zwei große Herausforderungen verdeutlichen: Einerseits können übergreifende Gesetze, Regeln und Vorschriften, die ein Land erfüllen muss, veraltet sein (drei oder sogar acht Jahre sind in einer dynamischen Branche wie der IT- und Telekommunikationsbranche ein sehr langer Zeitraum). Andererseits sind die übergreifenden Gesetze, Regeln und Vorschriften eines Staatenverbundes wie der EU in der Regel auf die „mittlere Durchschnittstemperatur“ der gesamten Union über alle Länder hinweg ausgelegt und Deutschland ist nun mal mit Malta oder Luxemburg nicht unmittelbar vergleichbar, was z. B. die Wirtschaftskraft, die Anzahl der Bürger oder die Flächengröße und die daraus abzuleitenden Anforderungen an die Digitalisierung betrifft.

Die Frage, ob ein Digitalministerium sinnvoll ist oder nicht, lässt sich natürlich nicht unabhängig von der Organisationslogik der übrigen Bundesministerien in der Bundesregierung beantworten. Bevor ich diese Organisationslogik betrachte, möchte ich jedoch zunächst einen Blick auf die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie über das Volumen der öffentlichen Gesamthaushalte (Einnahmen, Ausgaben und Finanzierungssaldo) werfen, da beides interessante Kenngrößen sind, die man bei der Betrachtung des Themas „Digitalisierungsstrategie für Deutschland“ nicht ausblenden kann.

Anzahl der Beschäftigen im öffentlichen Dienst (Stand: 30.06.2016)

Laut der Informationsbroschüre „Zahlen Daten Fakten 2018“ des Deutschen Beamtenbundes (siehe: https://www.dbb.de/fileadmin/pdfs/2018/zdf_2018.pdf) arbeiteten am 30.06.2016 von den 4.689.020 Beschäftigten im öffentlichen Dienst insgesamt 489.460 (10,44%) auf Bundesebene, 2.364.095 auf Landesebene, 1.464.410 auf kommunaler Ebene und 371.055 bei den Sozialversicherungen (einschließlich der Bundesagentur für Arbeit).

1.836.470 (39,17%) der Beschäftigten im öffentlichen Dienst waren am 30.06.2016 Beamte (einschließlich 163.800 Soldaten) und 2.808.190 (60,83%) waren Tarifangehörige (einschließlich der Dienstordnungs-Angestellten in der Sozialversicherung).

Wie sich die 4.689.020 Stellen im öffentlichen Dienst auf die 9 wesentlichen Aufgabenbereiche verteilen, illustriert die folgende Grafik:

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Hinweis:

Unter https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Oeffentlicher-Dienst/2016-03-21-zahlen-daten-fakten.html findet man auch einen etwas differenzierteren Aufriss der 489.460 Beschäftigen im Bundesbereich, der 2.364.095 Beschäftigten im Landesbereich und der 1.464.410 Beschäftigten im kommunalen Bereich auf die jeweiligen Aufgabenbereiche der drei Ebenen einschließlich der prozentualen Verteilung.

Volumen der öffentlichen Gesamthaushalte (Stand: 2016)

Laut dem Statistischen Bundesamt (siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/EUHaushaltsrahmenrichtlinie/Tabellen/OeffentlicherGesamthaushalt.html) hatten die öffentlichen Gesamthaushalte in Deutschland im Kalenderjahr 2016 Ausgaben in Höhe von 1,326142 Billionen €, Einnahmen in Höhe von 1,351851 Billionen € und daraus resultierend einen positiven Finanzierungssaldo von 25,797 Milliarden €. Das heißt ca. 42% des deutschen Bruttoinlandsprodukts von 3,14405 Billionen € wurden in 2016 durch „Vater Staat“ vereinnahmt bzw. verausgabt – das ist nicht gerade wenig.

Ausgaben, Einnahmen und Finanzierungssalden verteilten sich wie folgt auf Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung:

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Zwischenfazit:

Die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland hat auf Bundesebene mit 489.460 Beschäftigen, Ausgaben von 362,651 Milliarden € und Einnahmen von 376,645 Milliarden € die Dimension eines Großkonzerns. Nicht zu vergessen sind Zulieferanten und externe Berater, die von der öffentlichen Verwaltung beauftragt werden, und nicht Bestandteil der o. g. Beschäftigtenzahlen sind.

Laut dem Statistischen Bundesamt wirkt sich die Arbeit der öffentlichen Verwaltung (z. B. Gesetze, Entscheidungen, Leistungen) auf 82,6 Millionen Einwohner in Deutschland aus (darunter 40,8 Millionen Männer und 41,8 Frauen, sowie 9,2 Millionen Ausländer und 18,6 Millionen Bürger mit Migrationshintergrund), die in 41,0 Millionen Haushalten leben (siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerung.html).

Von den 82,6 Millionen Einwohnern in Deutschland verdienten 45,4% in 2016 ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit, 26,3% lebten überwiegend von Renten, Pensionen etc., 24,7% wurden überwiegen durch Angehörige versorgt und 4,2% waren überwiegend auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch I und II angewiesen – also Arbeitslosengeld I und II bzw. Hartz IV (siehe: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Einkommen-Armut/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII10.pdf).

Der deutsche Staat und seine Sozialversicherungen geben jährlich rund 918,0 Milliarden € für Soziales einschließlich Renten und Transferzahlungen aus. Dies führt wiederum zu einer hohen Belastung der Einkommen der Arbeitnehmer in Deutschland mit Steuern und insbesondere Abgaben.

Ein Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigung hat in Deutschland ein mittleres Einkommen (Median) von 3.000 €/Monat brutto; bezieht man Teilzeitbeschäftigte und Auszubildende in die Betrachtung ein, sinkt das mittlere Einkommen (Median) auf 2.500 €/Monat brutto.

Wie die folgende Grafik illustriert, haben alleinstehende deutsche Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigung mit 49,4% Abzügen die zweithöchste Belastung durch Steuern und Sozialabgaben unter den Arbeiternehmern sämtlicher 35 OECD-Staaten hinter Belgien (siehe: http://www.compareyourcountry.org/taxing-wages?lg=de):

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Dies alles sind Gründe genug, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man die öffentliche Verwaltung in Deutschland möglichst effizient organisieren und dafür sorgen kann, dass die Bundesrepublik Deutschland auch in Zukunft noch „ein Land ist, in dem die Bürger gut und gerne leben“, um ein geflügeltes Wort der deutschen Bundeskanzlerin aufzugreifen.

Kritische Würdigung der Organisationsstrukturen auf Bundesebene

Wie bereits angesprochen, hat die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene die Dimension eines Großkonzerns. Großkonzerne organisieren ihre Konzernzentralen üblicherweise in einer Struktur mit Funktionen, wie Strategie&Geschäftsentwicklung, Finanzen, Personal, Einkauf, IT, Unternehmenskommunikation, Forschung&Entwicklung und Recht&Compliance.

Die Organisationslogik der Bundesregierung und ihrer Bundesministerien ist völlig anders gestaltet, wie die nachfolgende Grafik aus Wikipedia aufzeigt (siehe: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_(Deutschland)). Dort werden für die abgelaufene Legislaturperiode von 2013 bis 2017 ingesamt 14 Bundesministerin – zusätzlich zum Bundeskanzleramt – aufgelistet:

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Thema Digitalisierung in Deutschland zwar zur „Chefsache“ erklärt, doch derzeit herrscht zwischen den Ministerien ein erhebliches Kompetenzwirrwarr, wie eine Antwort des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Anna Christmann zeigt, über die der Tagesspiegel am 26.02.2018 berichtete (siehe: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/digitalisierung-kompetenzgerangel-um-die-chefsache/21006554.html). Laut BMVI beschäftigen sich in den insgesamt 14 Bundesministerien 482 Mitarbeiter verteilt auf 244 Teams in 76 Abteilungen mit digitalen Fragen.

Nun ist ein Land zwar nicht eins zu eins mit einem Unternehmen vergleichbar, andererseits gibt es zwischen den Aufgaben einer Regierung und den Aufgaben eines Konzernvorstands durchaus Ähnlichkeiten – nicht zuletzt weil beide Entscheidungen treffen müssen, die sich auf eine Vielzahl von Menschen auswirken, weil beide sorgsam mit Geld (Steuergeldern, Kapital der Investoren) umgehen müssen oder weil beide ihren Verantwortungsbereich (Staat, Unternehmen) erfolgreich entwickeln und langfristig/nachhaltig auf die Zukunft ausrichten müssen.

Die Frage muss also erlaubt sein, warum ein Land wie Deutschland 14 Ministerien benötigt, und warum es in dieser Organisationslogik z. B. weder ein Ministerium für Strategie&Landesentwicklung gibt, noch ein Ministerium für Digitalisierung (mit umfassender Verantwortung über die Digitale Infrastruktur hinaus)?

Ich möchte an dieser Stelle nur am Rande darauf hinweisen, dass es in der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene insgesamt 24 Ebenen mit unterschiedlichen Besoldungsgruppen gibt (vollständige Liste siehe: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_(Deutschland)):

  • 11 Ebenen im „Höheren Dienst“ (vom Regierungsrat bis zum Bundeskanzler),
  • 5 Ebenen im „Gehobenen Dienst“ (vom Regierungsinspektor bis zum Regierungsoberamtsrat),
  • 4 Ebenen im „Mittleren Dienst“ (vom Regierungssekretär bis zum Regierungsamtsinspektor),
  • 4 Ebenen im „Einfachen Dienst“ (vom Oberamtsgehilfen bis zum Oberamtsmeister).

Zurück zur Organisationslogik: Genauso wenig, wie ein Vorstandsvorsitzender einen 14-köpfigen Vorstand effizient führen kann, kann ein Bundeskanzler eine 14-köpfige Regierung effizient führen. Dass in einer solchen Organisation die Entscheidungswege ineffizient und langsam sind (u. a. infolge langwieriger, ressortübergreifender Abstimmungen) kann eigentlich niemanden überraschen.

Wie aber könnte eine straffere Organisationslogik für die Bundesebene aussehen? Nun, zum Beispiel indem man die Ministerien bzw. Aufgaben einerseits nach Zielgruppen (Bürger, andere Staaten) ausrichtet und anderseits zwischen hoheitlichen und infrastrukturellen Aufgaben differenziert:

  • Bundeskanzleramt einschließlich Strategie&Landesentwicklung
  • Bürgerministerium (umfasst alle wesentlichen Aufgaben, die unmittelbaren Einfluss auf Bürger/Familien haben): Arbeit&Soziales, Bildung, Familie, Jugend, Frauen, Senioren, Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz
  • Ministerium für Auswärtiges&Sicherheit (umfasst alle wesentlichen Aufgaben im Umgang mit anderen Staaten): Auswärtiges Amt, Entwicklung und Verteidigung
  • Ministerium für hoheitliche Steuerung&Kontrolle: Finanzen, Beschaffung, Justiz und Innere Sicherheit
  • Ministerium für infrastrukturelle Ertüchtigung: Wirtschaft, Forschung&Entwicklung, Digitalisierung, Wohnungsbau, Verkehr, Energie, Reaktorsicherheit, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft

Man kann über diesen exemplarischen Vorschlag und die Zuordnung einzelner Ressorts sicher trefflich diskutieren, aber darum geht es im Kern gar nicht. Stattdessen möchte ich eine Diskussion darüber anregen, wie verkrustete, historisch gewachsene Strukturen aufgebrochen und an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts (Agilität, Flexibilität, Geschwindigkeit) angepasst werden können.

Man kann auch durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob es tatsächlich eines „Digitalministeriums“ bedarf, um diese digitale Transformation als wichtiges Zukunftsthema optimal zu managen. Alternativ könnte ein ressortübergreifenden Digitalisierungsprojekt mit adäquater Priorität und Ressourcenausstattung nach meinem Verständnis auch eine geeignete Organisationsform sein – zumindest, um vorübergehend verloren gegangenen Boden wettzumachen.

Nachtrag vom 23.08.2018: Im August 2018 wurde von der Deutschen Bundesregierung ein so genannter „Digitalrat“ eingesetzt, der auf eine Vereinbarung der Regierungsparteien im Koalitionsvertrag zurückgeht: „Die Bundesregierung wird einen Digitalrat berufen, der einen engen Austausch zwischen Politik und nationalen sowie internationalen Experten ermöglicht.“ Der Regierungssprecher schreibt in einer Pressemeldung vom 22.08.2018: „Die Mitglieder des Digitalrats sollen die Bundesregierung mit ihrer Fachexpertise unterstützen und die richtigen Fragen stellen – dabei soll der Rat auch unbequem sein und antreiben siehe: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/08/2018-08-21-digitalrat.html.

Digitalisierungsstrategie für Deutschland

Damit wären wir beim eigentlichen Thema dieses Blogs angekommen, nämlich der Digitalisierungsstrategie für Deutschland, die sich wie jede funktionale Strategie aus den mittel- bis langfristigen Zielen zur Gesamtentwicklung des Landes ableiten muss und darüber hinaus das beträchtliche Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnolgie als Ertüchtiger („Enabler“) berücksichtigen sollte. Infrastruktur und Bildung der Bürgerinnen und Bürger sollten von einer Bundesregierung als strategisches Gut bzw. strategischer Hebel verstanden werden, das im Interesse von Wohlstand, Wohlstand und Sicherheit systematisch ausgebaut und geschützt werden muss.

Eine gute Digitalisierungsstrategie für ein Land sollte mindestens die folgenden Elemente umfassen:

  1. Zuweisung klarer und eindeutiger Zuständigkeiten für Strategie&Landesentwicklung sowie Digitalisierung auf Bundesebene
  2. Ausbau der Infrastruktur mit modernen, effizienten und sicheren Informations- und Kommunikations-, Energie- und Verkehrsnetzen
  3. Ausbau der Digitalisierungskompetenz von Bürgern, Parlamentariern, Bundesregierung und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung
  4. Strategische Investitionen in Forschung und Entwicklung für Schlüsseltechnologien mit erheblichen sozioökonomischen Auswirkungen und Potenzialen – einschließlich der großzügigen Finanzierung von Start-ups mit digitalen Geschäftsmodellen und insbesondere digitalen Plattformen.
  5. Effektiver Schutz der Privatsphäre der Bürger, des geistigen Eigentums von Unternehmen und der inneren und äußeren Sicherheit des Landes (einschließlich dezentraler Energienetze, Verkehrsnetze mit „Connected Cars“, Krankenhäusern und Versorgungsbetrieben usw.) vor Spionage, Sabotage und Cyber-Attacken (z. B. durch die Einrichtung eines Cyber Security Competence Centers)
  6. Schaffung praktikabler und belastbarer Rechtsgrundlagen für den Einsatz und die Nutzung innovativer Schlüsseltechnologien (z. B. autonomes Fahren, Pflegeroboter) sowie eines Steuersystems, in dem digitale Geschäftsmodelle (z. B. digitale Plattformen oder Fabriken weitgehend ohne Mitarbeiter) adäquat besteuert werden
  7. Schutz der Anbieter von Schlüsseltechnologien mit Relevanz für Wohlstand und Sicherheit des Landes vor Übernahme durch ausländische Unternehmen, z. B. mittels eines „Staatsfonds“, mit dem strategische Investitionen des Staates im In- und Ausland finanziert werden und mit dem ein effektives Instrument zur Beteiligung der Bürger am Produktivvermögen geschaffen wird
  8. Definition von Standards und Normen (Protokolle, APIs, etc.) zur Sicherstellung von Interoperabilität und Sicherheit z. B. im Internet der Dinge
  9. Digitale Transformation der Prozesse von Behörden einschließlich der Implementierung elektronischer Workflows, effizienter und benutzerfreundlicher Verfahren zur sicheren Identifizierung und Authentifizierung von Bürgern und des Zugangs zu eGovernment-Self-Services in einem Bürgerportal, das über Smartphones, Notebooks, Desktops zugänglich ist.
  10. Nutzung innovativer Technologien wie Blockchains, um z. B. Kfz-Zulassung, Grundstückskataster oder Einwohnermelderegister auf eine moderne technische Basis umzustellen und sichere eVoting-Services sowie eine staatseigene Kryptowährung bereitzustellen.

Deutschland ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von 3,263 Billionen € (3,651 Billionen USD) derzeit (noch) die viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt hinter den USA mit 17,306 Billionen € (19,362 Billionen USD), China mit 10,670 Billionen € (11,938 Billionen USD) und Japan mit 4,365 Billionen € (4,884 Billionen USD) – alle Werte für 2017 – Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157841/umfrage/ranking-der-20-laender-mit-dem-groessten-bruttoinlandsprodukt/. Langfristig wird Deutschland diese Position aufgrund des schnelleren Wachstums bevölkerungsreicher Schwellenländer, wie Indien, Indonesien, Brasilien, Russland und Mexiko und der gegenläufigen demografischen Entwicklung in Deutschland nicht halten können und in 2050 voraussichtlich nur noch die neuntstärkste Wirtschaftsnation der Welt sein.

Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands hängen heute in hohem Maße vom Außenhandel ab: Im Jahr 2017 wurden von Deutschland Waren im Wert von 1,279 Milliarden € exportiert und Waren im Wert von 1,035 Milliarden € importiert. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen damit die deutschen Exporte im Jahr 2017 um 6,3 % und die Importe um 8,3 % höher als im Jahr 2016 (siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Aussenhandel.html).

Die Ausfuhren der vier größten Warengruppen (Kraftwagen und Kraftwagenteile, Maschinen, chemische Erzeugnisse sowie Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse) sind wertmäßig für ca. 50 % der deutschen Gesamtausfuhren verantwortlich. Die sieben wichtigsten Ausfuhrwarengruppen (einschließlich elektrische Ausrüstungen, pharmazeutische und ähnliche Erzeugnisse sowie sonstige Fahrzeuge) decken mehr als zwei Drittel aller deutschen Ausfuhren ab (siehe: https://kubraconsult.blog/2019/07/04/germanys-performance-as-export-nation-facts-and-key-success-factors/).

Um im globalen Wettbewerb mit anderen Nationen bestehen zu können, müssen deutsche Unternehmen ihre Fähigkeit zur Entwicklung und Produktion hochwertiger High-Tech-Investitionsgüter wahren und darüber sich hinaus eine führende Rolle in der Entwicklung von Schlüsseltechnologien erarbeiten, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten grundlegend (englisch: „disruptive“) verändern werden (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/03/14/die-soziooekonomischen-folgen-der-digitalisierung/).

Dazu zählen unter anderem:

  • Die digitale Plattformökonomie, in der Plattformunternehmen aus den USA (Google, Apple, Facebook und Amazon) und China (Alibaba, Tencent, Baidu) heute mit weitem Abstand führend sind (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/09/06/digitale-geschaeftsmodelle-und-plattformoekonomie/).
  • Digitalisierung und Automatisierung z. B. durch Roboter/Drohnen mit Künstlicher Intelligenz, deren Leistungsvermögen zukünftig durch Quantum Computing verstärkt wird, mit der Folge, dass mittelfristig Millionen von Arbeitsplätzen nicht nur in der Produktion sondern auch in Dienstleistungsberufen verdrängt werden (z. B. Verkäufer, Berater, Kranken- und Altenpfleger, Fahrer).
  • Elektromobilität in Kombination mit CarSharing und dem Autonomen Fahren (oder Flugobjekte mit Elektroantrieb, Autonomer Steuerung und vertical take-off and landing-Fähigkeiten – siehe: https://kubraconsult.blog/2017/11/18/fliegen-statt-fahren-elektroautos-sind-nicht-die-beste-loesung/).
  • Zunehmende Vernetzung verschiedener Lebensbereiche, wie z. B. des „Internet of Things“, von Gebäuden oder Fahrzeugen sowie der Energieversorgung (mit einer Vielzahl dezentraler erneuerbarer Energiequellen).
  • IT-Sicherheitsrisiken, die aus dieser zunehmenden Vernetzung resultieren (z. B. „Blackouts“ bei der Energieversorgung, Identitätsdiebstahl, Cyber-Terrorismus).
  • Blockchain-Technologie mit ihren Auswirkungen z. B. auf die Finanzindustrie durch Eliminierung von Zwischenhändlern (z. B. Banken, Versicherungen).
  • Virtual bzw. Augmented Reality oder 3D-Druck.

Der Handlungsbedarf ist groß: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Accenture aus 2014/2015 landete Deutschland im Quervergleich von 17 Volkswirtschaften bei der Digitalisierung nur auf einem mittelmäßigen Platz 9 – knapp vor China, das sich aufgrund seiner Dynamik jedoch schnell entwickelt (siehe: https://www.welt.de/wirtschaft/article138456261/Warum-Deutschland-nur-digitaler-Durchschnitt-ist.html).

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Am stärksten durchdrungen von der Digitalisierung waren demnach die Niederlande, gefolgt von den USA, Schweden und Südkorea. Am wenigsten vorbereitet auf kommende technologische Entwicklungen waren Indien, Italien und Frankreich.

Bei den Unternehmen sahen die Autoren in vielen Bereichen noch Nachholbedarf. Sie bemängeln vor allem, dass bisher in kaum einer Branche bemerkenswerte digitale Geschäftsmodelle aus Deutschland kämen. Höchst erfolgreiche Geschäftsmodelle wie Google, Amazon oder Ebay seien alle in den USA entstanden. Selbst das Schwellenland China habe mit dem Onlinehändler Alibaba oder der Suchmaschine Baidu Internetriesen hervorgebracht.

Auch im Vergleich der Rahmenbedingungen schneidet Deutschland gemäß der Accenture-Studie durchwachsen ab. Schwächen gebe es vor allem bei der Infrastruktur und bei den Regeln für die digitale Wirtschaft schreiben die Verfasser. In allen großen europäischen Volkswirtschaften sei die Versorgung mit Breitbandinternet und mobilem Internet besser als hierzulande. Diese Situation dürfte sich in den letzten 4 Jahren nicht grundlegend verbessert haben.

Die Bundesregierung muss daher massiv in moderne Infrastrukturen als strategisches Gut bzw. strategischen Hebel investieren, um deutsche Unternehmen bei der dringend notwendigen Transformation in das Zeitalter der Digitalisierung wirksam zu unterstützen, z. B. durch Bereitstellung flächendeckender Breitbandnetze, 5G-Mobilfunknetze, WiFi-Hotspots (z. B. in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln), Energieversorgungsnetze, aber auch leistungsfähige und intelligente Verkehrsinfrastrukturen (Straßen, Flughäfen, Häfen). Auf eine angemessene Versorgung ländlicher Gebiete ist dabei zu achten.

Die Steuereinnahmen des Bundes sind von 190,0 Milliarden € in 2005 auf 300,0 Milliarden € in 2017 gestiegen, also um 58% innerhalb von 12 Jahren mit steigender Tendenz. Darüber hinaus musste der deutsche Staat nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank seit 2008, also seit Beginn der Finanzkrise und dem Beginn der Niedrigzinspolitik, insgesamt 290,0 Milliarden € weniger für Zinsen zahlen als vor der Finanzkrise. Allein in 2017 belief sich die Zinsersparnis des deutschen Staates auf insgesamt 50,0 Milliarden € (siehe: https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wirtschaft/article172403133/Vergiftetes-Zinsgeschenk.html). Ein Ende der wirtschaftlichen Wachstumsphase ist zwar derzeit nicht abzusehen, aber dass die nächste Finanz- und Eurokrise kommen wird, ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Wenn nicht jetzt, wann dann, sollte Deutschland also in seine Zukunft investieren?

Als flankierende Maßnahme zum Auf- und Ausbau moderner Infrastrukturen sollten Unternehmensgründungen (Startups) im Bereich innovativer Schlüsseltechnologien – insbesondere diejenigen Startups mit digitalen Geschäftsmodellen – durch großzügige Förderprogramme und die Bereitstellung von Risikokapital unterstützt werden.

Der Staat muss deutsche Unternehmen ferner dabei unterstützen, ihre Abhängigkeit von Informations- und Telekommunikationstechnologie (z. B. Prozessoren, Hardware, Betriebssysteme, Anwendungssoftware, Netzwerkkomponenten, Satelliten, Cloud-Lösungen, Soziale Medien) aus den USA und Asien und die daraus resultierenden Risiken für die Privatsphäre der Bürger und das geistige Eigentum von Unternehmen mittelfristig zu verringern. Es ist eine Frage der nationalen Sicherheit, Informations- und Kommunikationssysteme und -netze, Energienetze oder Verkehrsnetze angemessen und wirksam vor Spionage und Sabotage zu schützen. Die Bedrohung durch Backdoors in Hard- und Softwarekomponenten ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Detailliertere Hintergrundinformationen zu den damit verbundenen Risiken finden Sie hier: https://kubraconsult.blog/2017/03/08/wie-die-us-regierung-das-internet-diskreditiert/ und https://kubraconsult.blog/2017/04/25/der-spion-in-ihrer-tasche/.

Nicht zuletzt aus diesem Grund halte ich die Aussagen der EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel in einem Interview mit der FAZ am 29.10.2017 für eine katastrophale Fehleinschätzung: „Das Internet wird seit Jahren von Konzernen aus dem kalifornischen Silicon Valley dominiert. Immer wieder wird deshalb die Forderung laut, die EU müsse europäische Gegengewichte zu Google, Apple oder Facebook schaffen und gezielt europäischen Champions aufbauen. Die EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel hat dem eine klare Absage erteilt. „Wir sollten unsere Energie nicht darauf verschwenden, den Erfolg anderer kopieren zu wollen“, sagte die Bulgarin im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir brauchen kein europäisches Google, wir müssen uns auf unsere eigenen Idee und Innovationen konzentrieren.“ Es gebe für die EU keinen Grund, in Ehrfurcht zu erstarren. „In Feldern wie der Nanorobotik, bei Sicherheitschips und der Digitalisierung des Automobils sind wir Spitze.“ Das sei nur nicht so sichtbar.“ (siehe: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/mariya-gabriel-im-interview-kein-europaeisches-google-15266391.html).

Die Digitalisierung verändert auch die Bedrohungslage im Hinblick auf Krieg und Terror, indem z. B. nicht die Nationen mit den mächtigsten Streitkräften und den innovativsten und gefährlichsten Waffensystemen zukünftig die dominierenden Kräfte sein werden, sondern die Nationen mit den besten Fähigkeiten zur Cyber-Kriegsführung. Solche Fähigkeiten können auch von Nationen oder so genannten Nichtregierungsorganisationen (NRO/NGO) mit begrenzten finanziellen und wirtschaftlichen Kapazitäten entwickelt werden (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/06/11/the-digital-disruption-of-warfare/). Da hochkarätige Spezialisten auf diesem Gebiet sehr rar und teuer sind, sollten Polizei, Kriminalämter (jeweils auf Bundes- und Landesebene), Bundeswehr (inkl. KSK) und Geheimdienste in Deutschland ihre Kräfte in einem gemeinsamen „Cyber Security Competence Center (CSCC)“ bündeln. Bei der technischen Ausstattung dieses CSCC sollte man klotzen und nicht kleckern.

Europäische Initiativen zur zügigen Definition von Standards und Normen zur Sicherstellung der Interoperabilität und Sicherheit im Internet der Dinge (z. B. Protokolle, Schnittstellen, Updatefähigkeit) sollten gefördert werden und zwar unter Berücksichtigung der spezifischen Stärken europäischer Anbieter. Notwendige gesetzliche Grundlage für den Einsatz innovativer Schlüsseltechnologien (z. B. autonomes Fahren) sind zügig und proaktiv zu schaffen. Die Schwerfälligkeit der EU-Bürokratie ist dabei ein erheblicher Nachteil, denn Geschwindigkeit zählt in diesen dynamischen Zukunftsmärkten und Deutschland hat als führende Wirtschaftsnation innerhalb der EU von allen EU-Mitgliedsstaaten am meisten zu verlieren.

Parallel dazu müssen möglichst viele Bürger in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen Herkunft in die Lage versetzt werden, ein möglichst hochwertiges Bildungsniveau zu erreichen. Der Aufbau von Kompetenzen im Umgang mit Schlüsseltechnologien muss in Schulen, Universitäten und anderen Ausbildungseinrichtungen systematisch vermittelt werden. Darüber hinaus sollten hochwertige Angebote zur kontinuierlichen berufsbegleitenden Weiterbildung bereitgestellt werden, wofür der Staat adäquate Rahmenbedingungen schaffen muss.

Jedem Bürger sollte der Zugang zu digitalen Services über stationäre und mobile Geräte (Smartphone, Notebooks, Desktops) ermöglicht werden. Sämtliche Verwaltungsservices sollten online über ein Bürgerportal angeboten werden – wo immer möglich als nutzerfreundliche eGovernment Self-Services, so dass Behördengänge mit stundenlangen Wartezeiten entfallen können.

Dazu müssen leistungsfähige und benutzerfreundliche Verfahren zur sicheren Identifizierung und Authentifizierung von Bürgern (Elektronischer Personalausweis, Gesundheitskarte) bereitgestellt werden in Verbindung mit Möglichkeiten zur flächendeckenden, sicheren, verschlüsselten elektronischen Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden. Der Elektronische Personalausweis existiert bereits, muss jedoch deutlich nutzerfreundlicher gestaltet und für alle wesentlichen Anwendungsfälle etabliert werden. Letzteres gilt auch für das POSTIDENT-Verfahren mittels Videochat (siehe: https://www.deutschepost.de/de/p/postident/identifizierungsverfahren/verfahren-videochat.html), welches in der Praxis wunderbar funktioniert, wie ich bereits mehrfach feststellen durfte.

Arbeitsabläufe innerhalb von Behörden sollten ausschließlich über elektronische Workflows realisiert werden, so dass Papierakten, Papierdokumente und Briefpost mittelfristig überflüssig werden. Wie kann es sein, dass deutsche Gerichte und Behörden im 21. Jahrhundert immer noch mit Papierakten arbeiten und dass die Kommunikation mit diesen Einrichtungen über Briefpost nicht selten schneller und zuverlässiger funktioniert, als über elektronische Kommunikationsmedien?

Kfz-Zulassung, Grundstückskataster oder Einwohnermelderegister sollten mittelfristig auf Blockchain-Technologie umgestellt werden. Die Blockchain-Technologie könnte auch als Grundlage zur Bereitstellung von sicheren eVoting-Services und staatlichen Kryptowährungen genutzt werden.

Informationssicherheit und Datenschutz sollten genauso wie Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit keine Innovationsbremsen sein, sondern als Qualitätsmerkmale und Gütezeichen europäischer Unternehmen insbesondere im Wettbewerb mit Unternehmen aus den USA und China dienen.

In meinem Blog „Die sozio-ökonomischen Folgen der Digitalisierung“ vom 14.03.2017 (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/03/14/die-soziooekonomischen-folgen-der-digitalisierung/) hatte ich bereits ausgeführt, dass Digitalisierung und Automatisierung auch wichtige gesellschaftliche Fragen aufwerfen, bei denen der Gesetzgeber als innovativer Vordenker agieren und frühzeitig praktikable und belastbare Rechtsgrundlagen schaffen muss, wie z. B.:

  • „Wie kann man Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch intelligente Roboter übernommen werden mit neuer, sinnvoller Beschäftigung versorgen?“;
  • „Woher bekommt der Staat seine Steuereinnahmen, wenn die Arbeitnehmer durch intelligente Roboter ersetzt werden (Stichwort: Robotersteuer)?“;
  • „Wie kann man in einer zunehmend digitalisierten Welt überhaupt noch Wahrheit von Unwahrheit unterscheiden (Stichwort: Fake News)?“;
  • „Wie werden sich humanoide, intelligente Roboter auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken (Stichwort: Pflegeroboter)?“.

Die nachfolgende Statista-Grafik zeigt die Top 25-Berufe der 634 Abgeordneten des 18. Deutschen Bundestags (Legislaturperiode von 2013 bis 2017). Die Top 25-Berufe decken 471 von 634 Abgeordneten ab, also rund drei Viertel der Parlamentarier (siehe: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36615/umfrage/berufe-der-bundestagsabgeordneten-16-wahlperiode/):

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Man findet unter den Top 25-Berufen der 634 Abgeordneten im 18. Deutschen Bundestag keine Informatiker, gerade mal 6 Mathematiker, 8 Ingenieure und 19 Naturwissenschaftler (Chemiker, Physiker, Biologen). Dafür gab es 136 Juristen, 48 Politologen, 46 Ökonomen, Volks- und Betriebswirte sowie Diplom-Kaufleute/Betriebswirte, 23 Gymnasiallehrer, 21 Verwaltungsfachleute und 20 Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen.

Im 19. Deutschen Bundestag liegt das Durchschnittsalter der mittlerweile 709 Abgeordneten bei 49,4 Jahren; die jüngste Fraktion hat die FDP mit einem Alter von durchschnittlich 45,8 Jahren, die älteste die AfD mit 50,7 Jahren (siehe: https://www.merkur.de/politik/bundestagswahl-2017-groesser-maennlicher-rechter-zwoelf-fakten-zum-neuen-bundestag-zr-8799137.html).

Das Durchschnittsalter der 709 Abgeordneten im 19. Deutschen Bundestag liegt bei 49,4 Jahren; die jüngste Fraktion hat die FDP mit einem Alter von durchschnittlich 45,8 Jahren, die älteste die AfD mit 50,7 Jahren (siehe: https://www.merkur.de/politik/bundestagswahl-2017-groesser-maennlicher-rechter-zwoelf-fakten-zum-neuen-bundestag-zr-8799137.html).

Es liegt mir fern, Juristen, Politologen oder Gymnasiallehrern bzw. den Baby Boomern die Fähigkeit zum Verständnis innovative Entwicklungen oder gar die Fähigkeit zum innovativen Denken und Handeln abzusprechen; ich selbst bin 1964 geboren und trotzdem als Digital Business Innovator und Interim Chief Technology Officer tätig. Gerade deshalb weiß ich jedoch, dass Digitalisierungskompetenz nicht vom Himmel fällt, sondern systematisch und akribisch erarbeitet werden muss. Und daher frage ich mich, wer sicherstellt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder der Bundesregierung für solche Zukunftsthemen hinreichend ertüchtigt und qualifiziert werden?

Wenn Sie die Wechselwirkungen zwischen Digitalisierung, Politik und Gesellschaft interessieren, würde ich Ihnen neben meinem o. g. Blog zur weiteren Vertiefung die Veröffentlichungen der Initiative „D64“ (https://d-64.org) empfehlen. Auszug aus dem Mission Statement von D64: „Die Digitalisierung schreitet voran und verändert unsere Gesellschaft fundamental. Die Veränderungen wirken auf alle Lebensbereiche. Diese Dynamik erfordert auch politische Veränderungen – hinsichtlich inhaltlicher Positionierung, politischer Strukturen und der Nachvollziehbarkeit politischer Prozesse. D64 hat sich zum Ziel gesetzt, diese Entwicklung aktiv, konstruktiv und kreativ mitzugestalten. D64 versteht sich als progressiver Think Tank, der über das reine Nachdenken hinaus auch politische Veränderungen erreichen will. Als Kompass für die inhaltliche Ausrichtung fungieren dabei die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die es vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu aktualisieren gilt.“

Fazit

Die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland hat auf Bundesebene mit 489.460 Beschäftigen, Ausgaben von 362,651 Milliarden € und Einnahmen von 376,645 Milliarden € die Dimension eines Großkonzerns. Die bestehende Organisationslogik mit dem Bundeskanzleramt, 14 Ministerien sowie 24 Ebenen verteilt über „Höheren“, „Gehobenen“, „Mittleren“ und „Einfachen“ Dienst ist im Interesse einer höheren Agilität, Flexibilität und Geschwindigkeit zu vereinfachen, z. B. durch Ausrichtung an Zielgruppen (Bürger, andere Staaten) und Differenzierung zwischen hoheitlichen und infrastrukturellen Aufgaben. Insbesondere die Verantwortlichkeiten für Strategie&Landesentwicklung und Digitalisierung sind in dieser neuen Organisationslogik klar und eindeutig zuzuordnen.

Um das Wohlstandsniveau in Deutschland zu erhalten und im globalen Wettbewerb mit anderen Nationen zu bestehen, müssen deutsche Unternehmen ihre Fähigkeit zur Entwicklung und Produktion hochwertiger High-Tech-Investitionsgüter wahren und sich darüber hinaus eine führende Rolle in der Entwicklung von Schlüsseltechnologien (z. B. digitale Plattformen bzw. Digitalisierung, Automatisierung, Roboterisierung, Künstliche Intelligenz, Quantum Computing, Elektromobilität, Internet of Things, Cybersecurity, Blockchains, Virtual und Augmented Reality, 3D-Druck) erarbeiten, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten grundlegend verändern werden. In der digitalen Plattformökonomie sollte man das Feld nicht kampflos Unternehmen aus den USA und Asien überlassen, sondern europäische digitale Plattformen aufbauen, die die Privatsphäre der Bürger und das geistige Eigentum von Unternehmen respektieren.

Die Politik muss die vorhandenen finanziellen Spielräume infolge sprudelnder Steuereinnahmen und hoher Zinsersparnisse für Staatsschulden nutzen, um die digitale Transformation vom Mittelmaß in die Weltspitze zur unterstützen. Notwendig sind vor allem massive Investitionen in Infrastruktur und Bildung, die Schaffung praktikabler und belastbarer rechtlicher Rahmenbedingungen für Einsatz und Nutzung innovativer Schlüsseltechnologien und die umfassende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (inkl. Bürgerportal und eGovernment-Self-Services) – einschließlich der flächendeckenden Bereitstellung von Verfahren zur Identifizierung und Authentifizierung sowie der sicheren, verschlüsselten elektronischen Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden.

Darüber hinaus sollten innovative Technologien, wie Blockchains genutzt werden, um Kfz-Zulassung, Grundstückskataster oder Einwohnermelderegister auf eine moderne technische Grundlage umzustellen und um sichere eVoting-Services und staatlichen Kryptowährungen bereitzustellen. Unternehmensgründungen (Startups) im Bereich innovativer Schlüsseltechnologien – insbesondere diejenigen Startups mit digitalen Geschäftsmodellen – durch großzügige Förderprogramme und die Bereitstellung von Risikokapital unterstützt werden.

Die Abhängigkeit von Informations- und Telekommunikationstechnologie aus den USA und Asien sollte reduziert werden und Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit des Landes durch Bündelung der Kräfte von Polizei, Kriminalämtern (jeweils auf Bundes- und Landesebene), Bundeswehr (inkl. KSK) und Geheimdiensten in Deutschland in einem gemeinsamen „Cyber Security Competence Center (CSCC)“ verbessert werden.

Sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative muss die notwendige Digitalisierungskompetenz aufgebaut werden, damit Bundesregierung und Parlament die Funktion von innovativen Vordenkern übernehmen können, die in der Lage sind, die sozio-ökonomischen Folgen der Digitalisierung zu antizipieren und proaktiv zu gestalten.

P.S.: Dieser Blog verdeutlicht hoffentlich, dass es bei der Digitalisierungsstrategie für Deutschland nicht nur um digitale Infrastruktur wie 5G oder Glasfaserkabelnetze geht, sondern auch um die Digitalisierungskompetenz der Entscheidungsträger und Bürger, um Forschung und Entwicklung von Schlüsseltechnologien, um innere und äußere Sicherheit oder um rechtliche Rahmenbedingungen für Entwicklung und Einsatz von Schlüsseltechnologien (z. B. autonomes Fahren, Pflegeroboter).

Insofern braucht Deutschland nicht nur ein „Digitalministerium“, sondern mindestens vorübergehend ein ressortübergreifendes digitales Transformationsprojekt mit konkreten Zielen und Meilensteinen und adäquater Ressourcenausstattung, das sich an den mittel- bis langfristigen Zielen zur Entwicklung des Landes orientiert und sinnvollerweise vom Kanzleramt aus einer Abteilung „Strategie&Landesentwicklung“ heraus geführt werden sollte.

P.P.S.: Diese Ausführungen zur Digitalisierungsstrategie für Deutschland erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen einen Eindruck von möglichen bzw. sinnvollen Handlungsbedarfsfeldern vermitteln. Für konstruktive Anregungen zur Ergänzung und Verbesserung dieses Blogs in Form von Kommentaren oder Nachrichten bin ich – wie immer – dankbar.

19 Kommentare zu „Digitalisierungsstrategie für Deutschland

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